Das Offizierkorps 521
treten, warum hörte man von ihnen keine Klagen! War für den Offizier
die Pflege des Korpsgeistes, die Einwirkung des Kommandeurs, der älteren
Kameraden auf die jüngeren weniger wichtig? Wo aber war dies besser
möglich als im kameradschaftlichen Zusammenleben? Die Dienststunden
allein reichten nicht aus, die Tradition des deutschen Offizierkorps auch
während des Krieges dem jungen Nachwuchs zu übermitteln. Der Offizier
sollte mit seiner Truppe leben, und er tat es. Anders war es in der
Schlacht und im Schützengraben gar nicht möglich. Schließlich mußte seine
Stellung eine gehobene und sich stark abzeichnende bleiben, er hatte Autorität
zu behalten, wie war sonst seine entscheidende Einwirkung auf die Truppe
in allen Lagen möglich? Hierzu gehörte neben vielem anderen eine ge-
botene Absonderung, andernfalls verlor der Offizier an Ansehen. Waren
die Gründe vergessen, die im Frieden den Unteroffizier aus Mannschafts-
stuben in besondere Unteroffizierstuben legen ließen? Man wollte an alles
dies nicht denken, man wollte doch nur die Autorität schädigen, an den
Grundfesten des Staates rütteln, um eigene jämmerliche Interessen um
so leichter zu befriedigen. Das Leben im Offizierkorps war so, wie es die
Rücksicht auf den Mann, auf den Offizier selbst und endlich auf die bürger-
liche und staatliche Ordnung verlangte, die mit der Stellung des Offiziers
steht und fällt!
Auch das Leben in den höheren Stäben wurde scharf kritisiert. Wer kennt
nicht die nervenaufreibende Arbeit, die ungeheure seelische Belastung, die
stündlich dort eintritt? Truppen kamen in Ruhe, der Stab blieb Tag und
Nacht in steter Arbeit. Ich habe vier Jahre diese Anstrengung gehabt ohne
Ruhe und Rast. Da konnte ich von Feldküchenkost nicht leben. Und doch
erklärte ich im Oktober 1918 dem neuen Kriegskabinett des Prinzen Max,
auch die Oberste Heeresleitung würde aus der Feldküche essen, wenn sämt-
liche Staatssekretäre und ganz Berlin nur aus der Feldküche äßen; bis da-
hin würde sie so leben, wie es ihr in Rücksicht auf den Soldaten und sich
selbst gut schiene. Reichskanzler Prinz Max lehnte ab, aus einer Feldküche
zu essen. Wir aßen, so lange ich im Felde war, einfach, aber so, wie wir
es gewohnt waren. In ähnlicher Lage waren auch die anderen höheren
Stäbe. Sie lebten ebenso wie wir. Übertreibungen habe ich nirgends gut
geheißen, wo sie vorgekommen sind, muß ich sie verwerfen. So lange wir
noch eine staatliche Ordnung besitzen, so lange muß es Autorität geben.
So lange werden auch gesellschaftliche Unterschiede bleiben. Ein Offizier-
korps muß da sein, in dem sich der einzelne Offizier anders halten kann
als der Mann und doch sein treuer Kamerad ist, so wie es warl
Nun kamen Klagen, der Offizier lebe auf Kosten des Mannes. Das war
schändliche Verleumdung feindlicher und inländischer Propaganda. Viele
gewiß ehrlich denkende Männer kamen mit solchen allgemeinen Klagen