Das Ergebnis der Schlacht 45
der Pole aus unserer Ohnmacht Nutzen ziehen und uns vergewaltigen?
Soll Jahrhunderte alte deutsche Kultur verloren gehen?
Ich konnte mich des gewaltigen Sieges nicht aus vollem Herzen
freuen; die Nervenbelastung durch Rennenkampfs Armee war zu schwer
gewesen. Wir waren aber stolz auf die Schlacht. Durchbruch und Umfassung,
kühner Siegeswille und einsichtige Beschränkung hatten diesen Sieg zuwege
gebracht. Trotz unserer Unterlegenheit im Osten war es gelungen, auf dem
Schlachtfelde den feindlichen annähernd gleichstarke Kräfte zu vereinigen.
Ich dachte an General Graf v. Schlieffen und dankte diesem Lehrmeister.
In der protestantischen Kirche zu Allenstein sagten der General
v. Hindenburg und ich Gott dem Allmächtigen tiefbewegt Dank.
Mir blieb kein Augenblick Zeit, mich zu entspannen. Ich mußte die
Gruppierung der Armee für den weiteren Feldzug vorbereiten. Es war
eine ungemein schwere Aufgabe, die eine Schlacht zu Ende zu schlagen
und die nächste vorzubereiten. Dazwischen war unendlich vieles zu ordnen.
Der Abtransport der Gefangenen drängte. Bei der Ungewißheit der Lage
war ihre große Zahl an und für sich eine Last.
Ich erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und legte es mit Stolz an.
Wenn ich an Lüttich und Tannenberg denke, dann erfüllt auch jetzt
noch mein Herz berechtigte Genugtuung. Die Bewertung des Eisernen
Kreuzes II. Klasse hat in der Länge des Krieges nachgelassen; dies ist eine
schwer bedauerliche, wenn auch natürliche Erscheinung. Jeder, der es sich
ehrlich verdient hat, sollte es mit Stolz tragen.
IV.
Im Westen hatte der Siegeszug der deutschen Waffen angehalten.
Die Oberste Heeresleitung glaubte deshalb die 8. Armee durch drei Armee—
korps aus dem Westen verstärken zu können. Das diese Verstärkung an-
kündigende Telegramm traf zu Beginn der Schlacht von Tannenberg ein.
Ich wurde später gefragt, ob ein Korps zurückbehalten werden könne. Ich
hatte überhaupt nicht um Verstärkung gebeten und war einverstanden. Es
kamen nur zwei Armeekorps, das Garde-Reservekorps und das XI. A. K.,
sowie die 8. Kav. Div. Der Entschluß, sich im Westen zu schwächen, war
verfrüht. Wir konnten das im Osten leider nicht übersehen. Die Berichte
aus dem Westen lauteten sehr günstig. Von besonderer Bedeutung wurde
es noch, daß die für den Osten bestimmten Verstärkungen aus dem die
Entscheidung suchenden rechten Flügel und nicht aus dem linken entnom-
men wurden, der jetzt, nachdem die Schlacht in Lothringen geschlagen war,
zu stark war. Hier wurde ein Armeekorps, das als drittes für die Abgabe
nach dem Osten bestimmt war, belassen.