Das Oifizierkorps 523
unendlich viele treue Arbeit gesehen, von der das Heer unermeßlichen
Nutzen hatte. Es verstand sich von selbst, daß dort der Offizier, aber ebenso
der Mann, ruhiger und behaglicher lebte, als es in der Truppe der Fall
war, die nur vorübergehend in das Etappengebiet kam. Selbstverständlich
war es auch, daß die Truppe dies empfand, obschon für sie geschah, was sich
ermöglichen ließ.
War es ferner ein Vergehen, wenn der Offizier in Belgien oder sonst-
wo einkaufte, um etwas nach Hause zu schicken und dort das Leben seiner
Familie zu erleichtern? Haben denn die Familien der Offiziere, die selten
über Reichtümer verfügen, nicht am meisten unter der Lebensmittelteuerung
in der Heimat gelitten? Beim Oberbefehlshaber Ost richtete ich im Juli
1916 für den Soldaten eine ähnliche Möglichkeit ein; sie wurde später noch
weiter ausgebaut. Aus dem Westen und Rumänien sind viele Soldaten-
sendungen in die Heimat gegangen.
Jeden Sonderfall, der mir über Unregelmäßigkeiten eines Offiziers
mitgeteilt wurde, auch wenn es anonym geschah, habe ich eingehend unter-
suchen lassen. Die Stellung und das Leben der Offiziere wurden oft mir
den Kommandobehörden besprochen. Unter dem Eindruck der dauernden
Anklagen wandte sich der Generalfeldmarschall auch an alle Offiziere. Das
Offizierkorps hat den Krieg an seiner Ehre rein überstanden. Wer dagegen
verstieß, war eine Ausnahme und gehörte nicht zu uns. Gegen. ihn konnte
nicht scharf genug eingeschritten werden. Der Offizier, der nicht mit reinen
Händen als Ehrenmann aus diesem Krieg hervorgegangen ist, der fremdes
Gut behielt, auch nur, um es vor Zerstörung zu bewahren, hat das
Vaterland, die Armee, das Offizierkorps und sich selbst besudelt. Das Offi-
zierkorps in seiner Gesamtheit kann auf sich stolz sein und nicht zum min-
desten darauf, daß es trotz aller Hetzarbeit in seinem Rücken das Heer vier
Jahre zusammengehalten, es so oft zum Siege geführt hat und noch die
Kraft besaß, im Verein mit treuen Unteroffizieren und Mannschaften es
über den Rhein zu führen — eine ungeheure, der Großtaten dieses Krieges
würdige Leistung.
Die Unteroffiziere wurden durch die feindliche Propaganda nicht in Mit-
leidenschaft gezogen. Sie hielt deren Autorität bereits vermindert und
glaubte daher nicht nötig zu haben, ihnen besondere Beachtung zu schenken.
Wohl aber wurde der Gegensatz zwischen Offizier und Unteroffizier, der in
der alten Friedensarmee nicht vorhanden war, künstlich geschaffen.
Es hatte sich allmählich viel Ungesundes im deutschen Volk und Heer
angesammelt. Krankheitserscheinungen waren nicht mehr zu verkennmen, sie
wurden auch von vielen wahrgenommen. Der deutsche Kronprinz, der mich
häufig in Avesnes aufsuchte, sprach sich mit steigender Beunruhigung dar-
über aus und wandte sich auch in Eingaben an den Kaiser. Ich konnte