32 Der Angriff im Westen 1918
Nur in dem Schutz und der Pflege des Deutschtums ging ich über die
nächstliegenden militärischen Erfordernisse hinaus und verfolgte Zukunfts-
gedanken. Militärische Kraft kostete das nicht. Ich wollte das Deutschtum
stärken und sammeln und dadurch mächtiger machen. Bekannte hatten
mir eine namhafte Summe zur Verfügung gestellt. Ich verwertete sie
zur Stärkung der deutschnationalen Presse in Österreich. Meinem Lieb-
lingsgedanken, der Ansiedlung der in Rußland versprengten Deutschen
neben unseren Soldaten in den Ostgebieten, ging ich dauernd nach. Ich
nahm mich in diesem Sinne des Deutschtums gegenüber der Reichsregie-
rung an. Gedanken wie die Gründung eines deutschen Kolonienstaates
am Schwarzen Meere lehnte ich als phantastisch ab.
Für die in der Verwaltung des Oberbefehlshabers Ost befindlichen
Gebiete bat ich im Laufe des Sommers die Reichsregierung verschiedent-
lich um klare Richtlinien, um hier in Übereinstimmung mit den Ansichten
der Reichsleitung handeln zu können. Estland und Livland waren mit
Kurland zu einem militärischen Verwaltungsbezirk, dem „Baltikum“, ver-
einigt. Litauen hatte seine Abgrenzung behalten. Die Politik, die bisher in
Kurland getrieben war, dachte ich mir auf Livland und Estland ausge-
dehnt. Ich strebte hier die Vereinigung der Esten und Letten, deren Kultur
deutsch war, in einem Staat unter deutscher Führung, bei voller Scheidung
der beiden Stämme, an. Unmittelbar nach der Befreiung der Länder im
Februar wäre viel zu machen gewesen, aber unsere Regierung ließ die
kostbare Zeit verstreichen. Sie bat mich sogar, die Richtlinien für die
Politik in Estland und Lioland festzustellen. Aber damit war nichts an-
zufangen, wenn nicht Berlin wirklich dahinter stand. Dies drängte nur
auf Eröffnung der Universität Dorpat. Bei Besetzung der Lehrstühle
wurden aber die Esten unbegreiflicherweise nicht berücksichtigt. Das Ganze
wurde damit ein Fehlschlag.
Auch in Litauen kamen wir nicht einen Schritt weiter. Die Verhand-
lungen mit den litauischen Landesrat stockten vollständig. Die Polen regten
sich mehr und mehr; die Regierung erkannte die von hier kommende Ge-
fahr immer noch nicht und unterließ es, ihren ganzen Einfluß in Rom da-
hin einzusetzen, einen litauisch fühlenden Geistlichen auf den freien
Bischofsstuhl in Wilna zu bringen, wie es die Litauer sehnlichst wünschten,
und wie ich es nach Kräften unterstützte. Vielleicht hat es auch die Regie-
rung getan, ohne Gegenliebe beim Vatikan zu finden.
Die Lösung der polnischen Frage stockte weiterhin. Kaiser Karl
schwankte in seiner Haltung. Der Nachfolger des Grafen Czernin, Graf
Burian, hielt an der austro-polnischen Lösung fest. Die deutsche Regie-
rung wußte auch jetzt noch nicht recht, was sie wollte. Sie verfolgte hier
ebensowenig klare Ziele wie im übrigen OÖstgebiet. Eine gute Gelegenheit,