Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Abwehrkämpfe zwischen Somme und Oise 551 
  
gaben! Einer frisch und tapfer angreifenden Division wurde von zurück- 
gehenden Truppen „Streikbrecher“ und „Kriegsverlängerer" zugerufen, 
Worte, die auch später noch fallen sollten. Die Offiziere hatten an vielen 
Stellen keinen Einfluß mehr, sie ließen sich mitreißen. Bei einer Sitzung 
des Kriegskabinetts des Prinzen Max im Oktober machte mich der Staats- 
sekretär Scheidemann auf den Bericht einer Division über die Vor- 
gänge am 8. August aufmerksam, der ähnliche trübe Bilder enthielt. Ich 
kannte diesen Bericht nicht, konnte seinen Inhalt aber nur aus eigener 
Wissenschaft bestätigen. Ein Bataillonsführer von der Front, der kurz vor 
dem 8. August mit Ersatz aus der Heimat eingetroffen war, führte diese 
Zustände auf die Zuchtlosigkeit der Leute und auf den Geist zurück, den 
unsere Soldaten mitbrächten. Alles, was ich befürchtete, wovor ich 
so unendlich oft gewarnt hatte, war hier an einer Stelle zur Wahrheit 
geworden. Unser Kampfinstrument war nicht mehr vollwertig. Unsere 
Kriegsfähigkeit hatte Schaden gelitten, auch wenn sich die bei weitem 
größere Mehrzahl unserer Divisionen heldenhaft schlug. Der 8. August 
stellte den Niedergang unserer Kampfkraft fest und nahm mir bei 
solcher Ersatzlage die Hoffnung, eine strategische Aushilfe zu finden, 
welche die Lage wieder zu unseren Gunsten festigte. Ich gewann im 
Gegenteil die Überzeugung, daß die Maßnahmen der Obersten Heeres- 
leitung, die ich bisher, soweit dies im Kriege möglich ist, auf sicherer Grund- 
lage aufbauen konnte, dieser jetzt entbehrten. Das Kriegführen nahm damit, 
wie ich mich damals ausdrückte, den Charakter eines unverantwortlichen 
Hazardspieles an, das ich immer für verderblich gehalten habe. Das 
Schicksal des deutschen Volkes war mir für ein Glücksspiel zu hoch. Der 
Krieg war zu beendigen. 
Der 8. August brachte Klarheit für beide Heeresleitungen, für die 
deutsche wie für die feindliche, für mich, ebenso wie nach seiner eigenen 
Feststellung in der „Daily Mail“ für General Foch. Der große Entente- 
Angriff, der Endkampf des Weltkrieges, begann und wurde vom Gegner 
nun mit um so größerer Energie durchgeführt, je deutlicher unser Nieder- 
gang für ihn erkennbar wurde. 
Ich hielt es für möglich, daß durch die Ereignisse seit dem 15. Juli das 
Vertrauen Seiner Majestät und des Generalfeldmarschalls zu mir erschüt- 
tert wäre. Auch konnte vielleicht eine neue Persönlichkeit die Verhältnisse 
unbefangener beurteilen. Ich sagte deshalb dem Feldmarschall, wie ich das 
bereits erwähnte, in hohem Ernste, daß er meine Stellung neu besetzen 
möchte, wenn er nicht mehr volles Vertrauen zu mir habe oder es sonst 
für angezeigt erachte. Er lehnte ab. Ebenso besprach ich die Neubesetzung 
meiner Stellung mit dem Chef des Militärkabinetts, falls gegen meine 
Person irgendwelche Bedenken vorlägen. Der Kaiser zeigte mir in jenen
	        
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