Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
  
564 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
Oberste Heeresleitung in Avesnes nicht mehr der richtige Platz. Wir kehrten 
deshalb nach Spaa zurück, das wir im März so zuversichtlich und hoffnungs- 
voll verlassen hatten. 
Wie wir, so war auch der Feind überaus angestrengt, er griff an 
vielen Stellen immer mit den gleichen Divisionen an. Auch er mußte Ver- 
luste gehabt haben, aber er war Angreifer, und wir mußten nun doch, wie 
im Jahre 1917, auf uns herumtrommeln lassen. Die Erscheinungen jener 
Kämpfe wiederholten sich, unsere Truppen schlugen sich im Angriff besser 
als in der Verteidigung. Der Divisionszahl nach war Anfang September 
das Kräfteverhältnis günstiger als im Vorjahre, aber unsere Divisionen 
waren teilweise sehr schwach. Wir mußten die Bataillone unter Bei- 
behalt der Maschinengewehr-Kompagnien statt zu vier zu drei Kom- 
pagnien formieren. Der Troß, den vier Kompagnien erforderten, ent- 
sprach nicht mehr der Zahl der vorhandenen Mannschaften. Wir brauchten 
nicht mehr vier Feldküchen für das Bataillon, zwei bis drei genügten voll- 
ständig. Durch das Auflösen einer Anzahl unserer Divisionen und bei 
weiterem Auftreten von Amerikanern an der Front mußte sich das Zahlen- 
verhältnis immer mehr verschlechtern. 
Die Drückebergerei an der Front wuchs. Viele aus der Heimat zu- 
rückgekehrte Urlauber waren dabei. Die Urlaubsüberschreitungen nahmen 
zu, die Kampflinien wurden dünner besetzt. 
Das Kriegsministerium wollte jetzt endlich die Reklamierten in größe- 
rem Umfange für den Heeresdienst freimachen. Der Erfolg blieb abzu- 
warten. Welchen Geist würden sie mitbringen? Aus den Ost-Divisionen 
war schon lange das herausgezogen, was wir für die Kampfdivisionen des 
Westens brauchen konnten. Wir standen zu jener Zeit im Osten besser. 
Die Sowjetregierung hatte die erste und bald darauf die zweite Rate der 
russischen Entschädigung bezahlt, die Beziehungen zu den Don-Kosaken 
waren geknüpft. So war es möglich, noch einige Divisionen von geringem 
Kampfwert — sie bestanden aus älteren Jahrgängen und waren auf West- 
Anforderungen nicht eingestellt — verfügbar zu machen. Zog sich der Krieg, 
falls die Friedensbemühungen der Regierung keinen Erfolg hatten, noch 
in den Winter und den nächsten Sommer hinein, so war die Ausfuhr aus 
der Ukraine für Österreich und für uns eine Lebensfrage. Die Absperrung 
gegen den Bolschewismus behielt ihre alte Bedeutung; ebenso wie wir nach 
wie vor die Bildung einer neuen Entente-Front im Osten zu verhindern 
hatten. Die drei deutschen abgesessenen Kavallerie-Regimenter und die 
wenigen Geschütze unter General Graf v. der Goltz blieben auch deshalb 
in Finnland, hielten dort oben treue Wacht gegenüber der Murmanbahn 
und den Toren Petersburgs. Unsere Absichten gegenüber dem englischen 
Besatzungskorps in Baku blieben in Durchführung.
	        
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