566 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
Volk aufzurichten, nicht über die ersten Anfänge hinaus. Nach meinem zwei-
jährigen Drängen hatte sich der Reichskanzler nun endlich im August 1918
entschlossen, eine Zentralstelle für Presse= und Propagandadienst im In= und
Auslande zu schaffen. Sie war nicht den Reichsämtern übergeordnet, son-
dern dem Auswärtigen Amt angegliedert als unglückliches Anhängsel, dem
jede Autorität fehlte. Ich mußte mich mit dem Erreichten abfinden, da
anderes nicht zu erlangen war. Alle meine immer wiederholten schrift-
lichen und mündlichen Anträge und Anregungen, bei der Reichsleitung einen
Propagandaminister zu schaffen, waren ohne Erfolg geblieben. Nur ein
Minister oder Staatssekretär, der die gesamte militärische, politische und
wirtschaftliche Lage übersah, war imstande, das gewaltige Kampfmittel der
Propaganda so zu leiten, wie es der Krieg und die Stunde verlangten.
Er allein vermochte zu entscheiden, wann, wo und von welchem Ressort
eine öffentliche staatsmännische Kundgebung stattzufinden hätte. Er mußte
nach einem vorher genau erwogenen Plan handeln. Oberst v. Haeften, der
in der neu geschaffenen Zentralstelle führend mitarbeitete, gab sich die
größte Mühe, etwas zu erreichen. Staatssekretär Solf hielt eine von ihm
anempfohlene und auch wirkungsvolle Rede. Was der Reichskanzler an
seinem Geburtstage Anfang September sagte, war überaus matt. Auch
der Vizekanzler sprach, aber er fand nicht die Worte wie Clemenceau, als
deutsche Truppen 80 km von Paris entfernt standen. Als Oberst v. Haeften
später zum neuen Reichskanzler Prinz Max von Baden getreten war, ge-
schah in propagandistischer Beziehung überhaupt nichts mehr, obwohl es
unter dem Druck der Lage besonders vonnöten gewesen wäre.
III.
Die Verhältnisse an der Westfront waren hoch gespannt. Sie hatten
sich seit Mitte August, als von uns die ersten Friedensanregungen gegeben
wurden, verschärft. Noch war begründete Hoffnung vorhanden, die Lage
zu halten; Flanken und Rücken waren in Italien und Mazedonien gedeckt.
Die Möglichkeit aber, einen Umschwung zum Siege herbeizuführen, lag
nicht mehr vor. In diesem Sinne wurde am 3. September eine Anfrage des
Reichskanzlers beantwortet. Sie war von seinem Vertreter bei der Obersten
Heeresleitung, Graf Limburg-Stirum, veranlaßt, nachdem wir ihm von
der Absicht, in die Siegfriedstellung zu gehen, Mitteilung gemacht hatten.
Graf Limburg-Stirum wurde stets über alle Verhältnisse unterrichtet. An
und für sich war ich über die Anfrage überrascht, da der Reichskanzler seit
dem 13. August unsere Lage durchaus kennen mußte; sie war aber erklär-
lich. Graf Limburg-Stirum hat das, was am 13. und 14. August gesprochen
worden war, nicht gekannt.