Vermittelung der Königin der Niederlande 567
Vom Staatssekretär v. Hintze hatte die Oberste Heeresleitung keine
Nachricht; sie wußte nur, er würde Anfang September nach Wien fahren,
um dort mit Graf Burian Friedensfragen zu behandeln. Ich hielt eine
erneute Rücksprache mit ihm und dem Reichskanzler für dringend geboten.
Sie mußte in den ersten Septembertagen gleich nach unserer Rückkehr nach
Spaa stattfinden. Staatssekretär v. Hintze sagte zu, sobald er aus Wien
zurück sei. Das Kommen des Reichskanzlers wurde mit Rücksicht auf sein
hohes Lebensalter abgelehnt.
Die Besprechung in Spaa mit Staatssekretär v. Hintze fand am 8. oder
9. September statt. Er erklärte, daß Graf Burian beabsichtige, eine Note
an sämtliche kriegführenden Mächte zu richten und sie hierin zu einer Aus-
sprache über den Frieden aufzufordern. Gleichzeitig fügte er hinzu, daß die
k. u. k. Armee nach den ihm in Wien gewordenen Angaben nur noch bis zum
Winter durchhalten würde. Das Friedensbedürfnis dort sei sehr im Wachsen.
üÜber seine eigenen Friedensbemühungen gab Staatssekretär v. Hintze an,
daß er auf eine Vermittlung der Königin der Niederlande zuversichtlich
hoffe; worauf er diese Hoffnung gründete, konnte ich aus seinen Worten
nicht entnehmen. Er versprach sich von dem Vorhaben des Grafen Burian
in seiner Allgemeinheit keinerlei Erfolg und befürchtete eine Schädigung
für die Vermittlung der Königin der Niederlande. Er hielt einen be-
stimmten Schritt, wie er ihn im Haag vorhatte, für besser. Ich konnte mich
dem nur anschließen; was Graf Burian wollte, war verschwommen. Ich
hatte in diesen Tagen zum ersten Male etwas von dessen Absicht gehört.
Wohl auf seine Anregung hatte Kaiser Karl durch General v. Cramon
an den Generalfeldmarschall bestimmte Fragen über unsere strategischen
Absichten und unsere Auffassung über einen etwaigen Friedensschritt
richten lassen. General v. Cramon bat mich am Fernsprecher um möglichst
genaue Antwort, Kaiser Karl läge sehr viel daran. Natürlich war eine
Zurückhaltung in der Auskunft geboten, da Kanäle aus Wien nach Frank-
reich führten, wie die Parmabriefe Kaiser Karls gezeigt hatten. Es wurde
erwidert, daß die deutsche Armee die Westfront in ihrer jetzigen Linie, im
besonderen die Siegfriedstellung, halten würde, daß wir aber für einen
sofortigen Friedensschritt wären; wir rieten nur von dem des Grafen
Burian ab. Diese Antwort wurde von mir entworfen und darauf vor ihrem
Abgang bei unserer Unterredung mit Staatssekretär v. Hintze besprochen.
Staatssekretär v. Hintze wurde über die Kriegslage eingehend unter-
richtet. Er drahtete als Ergebnis der Besprechungen am 9. September
aus Spaa an das Auswärtige Amt, daß Seine Mojestät und die Oberste
Heeresleitung mit sofortiger Demarche bei der Königin der Niederlande
einverstanden wären, die verbündeten Mächte seien zur Einwilligung und
zum Beitritt aufzufordern.