570 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
miral das Anhäufen der U-Boote an unserer deutschen Küste nicht will-
kommen.
Er meinte ferner, daß es möglich sei, den U--Bootbau zu steigern und
dessen Wirkung zu erhöhen. Er bat mich um Entgegenkommen zur För-
derung des U-Bootbaues. Admiral Scheer sprach von größerer Arbeiter-
zuweisung, die er für den vermehrten U-Bootbau brauche. Ich erklärte
ihm, die Oberste Heeresleitung könne sie zur Zeit nicht aufbringen, und
willigte nur ein, einige besonders ausgebildete Ingenieure und Techniker
zu entlassen. Es handelte sich dabei nur um wenige Männer. Diese Ver-
handlungen zogen sich bis Oktober hin. Die Lage war ungemein ernst ge-
worden. Trotzdem gab ich noch den Befehl zu ihrer Entlassung. Auch
dieser Befehl hat die Öffentlichkeit beschäftigt. Die Oberste Heeresleitung
konnte das Schwert nicht fallen lassen, bevor es ihr nicht aus der Hand
geschlagen war. Wie das Aufgeben an sich verständiger politischer Ziele,
so kam auch jeder Verzicht in Rüstungsfragen früh genug. Ich war trotz
aller ungemein schweren Eindrücke nicht der Mann geworden, der die
Flinte vorzeitig ins Korn warf, und vertrat die Ansicht, daß wir auch in
den Friedensverhandlungen um so günstiger dastehen würden, je mächtiger
wir wären.
In meinem Stabe hatte ich eine Anderung getroffen. Ich nahm mir
in Oberst Heye einen älteren Gehilfen, der verschiedene Abteilungen unter
sich vereinigte, die mir bisher unmittelbar unterstanden. Er hörte ihre
Vorträge, ich behielt mir die große Entscheidung vor. Das, was ich durch-
gemacht hatte, geht an keinem Menschen spurlos vorüber. Ich war in die
Oberste Heeresleitung berufen worden, nicht um den Frieden zu schließen,
sondern um den Krieg zu gewinnen, und hatte an nichts anderes als daran
gedacht. Ahnlich wie Clemenceau und Lloyd George hatte ich das ganze
Volk hierzu aufbieten wollen, war aber nicht, wie man so gern und der
Wahrheit zuwider, immer von neuem erzählte, Diktator. Lloyd George
und Clemenceau verfügten über die souveränen Parlamente ihrer Länder,
denn es waren „ihre"“ Parlamente. Sie standen gleichzeitig an der Spitze
der gesamten Verwaltungs-, also Ausführungsbehörden. Ich hatte um-
gekehrt keinerlei verfassungsrechtliche Möglichkeit, auf die öffentlichen Ge-
walten Deutschlands unmittelbar einzuwirken, um die Durchführung
meiner Gedanken über die Kriegsnotwendigkeiten zu sichern, und fand bei
den berufenen Instanzen häufig nicht die erforderliche Erkenntnis und
Tatkraft. Ein Friede war nicht zu erreichen gewesen, so hatte ich versucht,
den Krieg zu einem guten Ende zu führen, das uns allein von dem Schicksal
retten konnte, das wir jetzt erleiden. Ich erkannte nun, daß dies gute Ende
unmöglich sei, und sah das Unglück nahen, das abzuwenden die Arbeit
meines Manneslebens gewesen war.