Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
  
  
580 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
—- 
Wahrscheinlich war, daß sich die Ereignisse in absehbarer Zeit vollendeten, 
wie es auf der Balkanhalbinsel und an der k. u. k. Front in Italien auch 
tatsächlich eintrat. 
Ich fühlte in dieser Lage die schwere Verantwortung in mir, die Be- 
endigung des Krieges zu beschleunigen und die Regierung zu entscheiden- 
dem Handeln zu veranlassen. Die Oberste Heeresleitung hatte seit dem 
9. September von der Friedensdemarche bei der Königin der Niederlande 
nichts vernommen. Seit Mitte August war die Zeit ergebnislos verstrichen. 
Die Note des Grafen Burian war verhallt. Die Diplomatie sah sich gegen- 
über dem Vernichtungswillen des Gegners vor eine unmögliche Aufgabe ge- 
stellt. In dieser Gedankenverbindung, die nicht blitzartig kam, sondern seit 
Anfang August nach und nach in schweren Kämpfen mit mir selbst in meinem 
Innern sich festigte, ließ ich den Staatssekretär v. Hintze am 26. September 
bitten, nach Spaa zu kommen. 
V. 
Die Verhältnisse in Berlin waren inzwischen recht unerquicklich ge- 
worden, der Kampf um die Macht wieder schroffer in die Erscheinung 
getreten. Der Sturm des Abgeordneten Erzberger gegen den Grafen 
v. Hertling war das äußere Wahrzeichen und hatte hochgehende Wogen 
aufgepeitscht. Der Mahnung des Kaisers vom 14. August nach einer ein- 
heitlichen und geschlossenen Führung der Regierungsgeschäfte wurde nicht 
entsprochen. Ich habe keinen klaren Einblick in die Vorgänge jener Tage 
gewonnen. Die Stellung des Reichskanzlers sah ich nicht für ernstlich er- 
schüttert an. Bei seiner großen parlamentarischen Erfahrung hatte er sich 
bisher stets gehalten. Die Vorgänge in Berlin veranlaßten Staatssekretär 
v. Hintze, seinen Besuch auf Sonntag den 29. anzusagen. Durch den Grafen 
Limburg-Stirum war auch der Reichskanzler nach Spaa gebeten. Ich hatte 
die Bitte diesmal nicht ausgesprochen, da man mir Anfang September 
das hohe Alter des Grafen entgegengehalten hatte, empfand es aber mit 
Genugtuung, daß der Reichskanzler kam, zumal ich in mir selbst immer 
mehr Klarheit über die zu ergreifenden Maßnahmen erlangte. 
Im Westen hatten inzwischen wieder gewaltige Kämpfe eingesetzt. 
Östlich Dpern machte die Entente einen Angriff und drängte uns auf 
dem alten Schlachtfelde in Flandern überall aus unseren vordersten Linien 
und darauf zum Teil auch über die Arrtillerieschutzstellung zurück. Wir 
sahen uns veranlaßt, die Armee in eine rückwärtige Stellung zu nehmen. 
In Richtung Cambrai gewann am 27. der Feind in einem starken 
Stoß über den Kanal Gelände, obschon hier alles auf das beste vorgesehen 
war. Weiter südlich bis zur Vesle wurde die Front gehalten. 
In der Champagne und auf dem Westufer der Maas hatte am
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.