Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Kanzlerkrifis 581 
... 
— — — 
  
— 
26. September eine große Schlacht begonnen. Franzosen und Amerikaner 
griffen hier mit sehr weit gesteckten Zielen an. Westlich der Argonnen 
waren wir Herren der Lage geblieben und hatten eine glänzende Abwehr 
geführt. Zwischen Argonnen und Maas war der Amerikaner eingebrochen. 
Er hatte hier eine starke Armee zusammengezogen. Sein Eingreifen in die 
kriegerischen Ereignisse war damit immer entscheidender geworden. Sein 
Stoß wurde aufgefangen. Am 27. kämpften wir im wesentlichen erfolg- 
reich. Am 28. hielten wir, abgesehen von planmäßigen Stellungeberichti- 
gungen, unsere Linien. 
Wir standen an der ganzen Westfront wieder in einem großen 
Ringen. 
Am 29. September und den folgenden Tagen fanden weitere Kämpfe 
statt, sie brachten nur die übliche Spannung. Nichts forderte zu plötzlichen 
Entschließungen auf. Ich lege auf diese Feststellung für das Nachfolgende 
ebensolchen Wert, wie darauf, daß seit Mitte August die Regierung für die 
Herbeiführung des Friedens nichts erreicht hatte. Hierin lag für mich nichts 
Überraschendes. Sollte die Oberste Heeresleitung jetzt warten, bis die Türkei 
oder Österreich-Ungarn kamen, die an erster Stelle betroffen waren? Das 
wäre bequem gewesen, entsprach aber nicht meinem Verantwortungsgefühl. 
Sollte die Oberste Heeresleitung nach ihrem vielen Schreiben und Drängen 
darauf hoffen, daß die Regierung nun doch noch das Volk aufrief oder einen 
Friedensschritt durch die Vermittlung Hollands zustande brächte? Waren 
hierzu Aussichten vorhanden? Die Pflicht gebot, endlich über tatlosen Zeit- 
verlust und leere Worte hinaus zu kommen. Der Feind war um Frieden 
und Waffenstillstand anzugehen. Das erforderte die Kriegslage, deren Ver- 
schlechterung nur allzu wahrscheinlich war. Noch brauchten wir uns nicht 
auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Der Feind mußte zu Wort kommen. 
Würde es nach Versöhnung oder nach Vergewaltigung klingen? Wie ich 
Clemenceau und Lloyd George einschätzte, mußte ich das Schlimmste be- 
fürchten. Wilson indes hatte seine Bedingungen oft unter Beobachtung 
ungewöhnlich feierlicher Formen genannt. Er und das von ihm ver- 
tretene Amerika mußten sich in ihrer Ehre gebunden fühlen. Überdies ließ 
das kriegsentscheidende Auftreten Amerikas in Frankreich, ohne das die 
Entente militärisch längst zu Boden lag, es möglich erscheinen, daß Wilson 
seine in bindendster Weise vorgetragenen Absichten gegenüber England 
und Frankreich auch durchsetzen werde. Hierüber mußte Klarheit 
gewonnen werden. Sollte sich die Ansicht über Wilson bestätigen, so 
konnten wir seine 14 Punkte, die zwar hart, aber wenigstens klar um- 
schrieben waren, als Grundlage von Verhandlungen annehmen; sollte aber 
eine Täuschung vorliegen, sollte der Feind den Bogen überspannen, sollten 
uns auch die feindlichen militärischen Führer die Achtung versagen. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.