582 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
die unser mannhaftes Ringen verdiente, dann mußte der Kampf weiter
gehen, so unendlich schwer es auch wurde, dann waren vielleicht Regierung
und Volk zu heroischen Taten zu bringen, wenn sie endlich einsahen, um
was es für Deutschland in diesem Kampf doch eigentlich ging.
Gerade nach dieser Seite konnte ich die Hoffnung auf ein neues Er—
starken der Heimat nicht aufgeben. Antwortete der Feind wie im Januar
1917, so mußte bei einigermaßen zureichender Führung auch wieder eine
Stimmung, Entschlossenheit und Einheitlichkeit in der Nation Platz greifen,
die ohne günstigste Rückwirkung auf unsere geistige Kriegsfähigkeit nicht
bleiben konnte. Daß sich dies sofort auf das Heer und die gesamte
Kriegswirtschaft entscheidend geltend gemacht hätte, und zwar um so
wirkungsvoller, je eher es eintrat, unterliegt keinem Zweifel. Wir
hatten dann wieder ein Kriegsinstrument, mit dem sich eine sehr
eindrucksvolle Sprache führen ließ, wenn der Gegner es durchaus nicht
anders haben wollte. Darin lag nichts Utopisches. Frankreich, Serbien
und Belgien hatten sehr viel mehr gelitten als wir und hielten aus. Näherte
sich der Krieg unserer Grenze, trat das Gefühl des Schutzes alles Teuren,
was uns Heimat heißt, unmittelbar vor die Seele jedes einzelnen Mannes
an der Front, der wußte, was Kriegsschauplatz, Schlachtfeld, selbst
Etappengebiet heißt, drohte deutschem Boden der Krieg in der ganzen
Größe seiner Vernichtungskraft, so steht, dachte ich, unser 70 Millionen-Volk
wieder wie ein Mann geschlossen bereit zur machtvollen Entfaltung
seiner immer noch vorhandenen Riesenkraft. Ob das völlig ausge-
blutete, schwerer als wir leidende Frankreich auch nach der Räumung noch
lange durchgehalten hätte, war ebenfalls die Frage. Auf keinen Fall war
unsere Lage so, daß sie eine Kapitulation vor unserem Volke und unseren
Kindern rechtfertigen konnte; auf jeden Fall aber mußte, wenn es irgend
möglich schien, der Weg zum Frieden beschritten werden.
Ich hatte mich langsam zu dem schweren Entschluß durchgerungen
und fühlte nun die Pflicht und den inneren Drang zu handeln, gleichgültig,
was andere sagten, die über die Kriegslage weniger unterrichtet waren.
Ich bin bei allen großen Entschlüssen dieses Krieges in vollem Verant-
wortungsbewußtsein meiner Auffassung gefolgt. Daß ich noch mehr ver-
unglimpft und für alles Unglück verantwortlich gemacht werden würde,
das wußte ich. Diese persönlichen Bitternisse konnten meinen Entschluß
nicht beeinflussen.
Am 28“ September 6 Uhr nachmittags ging ich zum Generalfeld-
marschall in dessen Zimmer, das eine Treppe tiefer lag. Ich legte ihm
meine Gedanken über ein Friedens= und Waffenstillstandsangebot vor. Die
Lage könne sich durch die Verhältnisse auf dem Balkan nur noch ver-
schlechtern, auchwenn wir uns an der Westfront hielten. Wir hätten jetzt die