Der Entschluß der Obersten Heeresleltung zum Waffenstillstandsangebot 583
eine Aufgabe, ohne Verzug klar und bestimmt zu handeln. Der General-
feldmarschall hörte mich bewegt an. Er antwortete, er habe mir am Abend
das gleiche sagen wollen, auch er hätte sich die Lage dauernd durch den
Kopf gehen lassen und hielte den Schritt für notwendig. Einig waren wir
uns auch darüber, daß die Bedingungen des Waffenstillstandes eine ge—
regelte und ordnungsmäßige Räumung des besetzten Gebiets und eine
Wiederaufnahme der Feindseligkeiten an den Grenzen unseres Landes zu-
lassen müßten. Erstere war ein ungeheures militärisches Zugeständnis.
An ein Aufgeben des Ostens dachten wir nicht. Ich glaubte, die Entente
würde die Gefahr erkannt haben, die vom Bolschewismus auch ihr drohte.
Der Generalfeldmarschall und ich trennten uns mit festem Hände-
druck wie Männer, die Liebes zu Grabe getragen haben und die nicht nur
in guten, sondern auch in den schwersten Stunden des menschlichen Lebens
zusammenstehen wollen. Unsere Namen waren mit den größten Siegen
des Weltkrieges verknüpft. Jetzt waren wir uns in der Auffassung einig,
daß es unsere Pflicht sei, unsere Namen für diesen Schritt herzugeben,
den zu vermeiden wir alles Erdenkliche getan hatten.
VI.
Die Grundlage für die Beratung mit dem Staatssekretär v. Hintze war
durch die Besprechung zwischen dem Generalfeldmarschall und mir am
28. September auch äußerlich festgestellt. Die Unterredung fand am 29.
10 Uhr vormittags im Hotel Britannique statt. Oberst Heye war
zugegen.
Nach kurzer Begrüßung begann Staatssekretär v. Hintze die innere
Lage ohne jede Bezugnahme auf äußere Verhältnisse darzulegen. Er
hielt die Stellung des Grafen v. Hertling für so erschüttert. daß er nicht
länger bleiben könne, auch seine eigene wäre nicht mehr gefestigt. In
Berlin müsse zufolge der inneren Lage ein vollständiger Systemwechsel
eintreten und ein parlamentarisches Ministerium gebildet werden. Er
sprach auch von der Möglichkeit einer Revolution. Ich hatte bis zu dieser
Minute geglaubt, daß die Oberste Heeresleitung mit dem bisherigen Reichs-
kanzler und Staatssekretär des Auswärtigen Amtes die weiteren Schritte
zu erörtern habe, die sie für geboten hielt. Ein Wechsel in diesen Ämtern
und in diesem Augenblick mußte nach allen Richtungen hin nachteilig, ver-
wirrend und verzögernd wirken. Der Zusammenhang der Dinge geht bei
so einschneidenden Umänderungen stets für einige Zeit verloren. Wozu
aber auch Seine Mojestät sich entschließen würde, für die Oberste Heeres-
leitung blieb Regierung auch nach ihrer Neubesetzung und Neugestaltung
Regierung. Die kommenden Männer würden sich ihrer Verantwortung