Die erste Note an Wilson 50
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Prinz Max sagte: „Wir sind starken Herzens und voll zuversichtlichen
Glaubens an unsere Kraft entschlossen, für unsere Ehre und für die Frei-
heit, sowie für das Glück unserer Nachkommen auch noch schwerere Opfer
zu bringen, wenn es unabänderlich ist“, und
„Wie das Ergebnis des Friedensangebots auch ausfallen möge, ich
weiß, daß es Deutschland fest entschlossen und einig finden wird sowohl zu
einem redlichen Frieden, als auch zu einem Endkampf um Leben und Tod,
zu dem unser Volk, wenn es dazu gezwungen wäre, bereit ist. Kein Zagen
befällt mich bei dem Gedanken, daß dieses zweite Ergebnis eintreten könnte,
denn ich kenne den Geist der gewaltigen Kräfte, die auch jetzt noch in un-
serem Volke vorhanden sind, und ich weiß, daß die unwiderlegliche Über-
zeugung, daß jeder für unser Leben kämpft, diese Kräfte verdoppeln würde.“
Der Reichstagspräsident sprach sich in gleichem Sinne aus:
„Ebenso wie jeder einzelne Soldat an der Front, ist auch jeder
Deutsche daheim bereit, für sein Vaterland, wenn es gefordert werden sollte,
jedes Opfer zu bringen."
Das waren schöne erhebende Worte, die in mir die Ülberzeugung
festigten, daß zwischen Reichskanzler, Reichstag und Oberster Heeresleitung
volle Übereinstimmung über ein Weiterkämpfen für den äußersten Fall
herrschte. Aber beim Reichskanzler und dem Reichstage fehlte die Über-
zeugung, daß schon — seit 1914 — jeder Deutsche für sein Leben kämpfe,
und dieser Daseinskampf jedes Opfer von uns allen fordere. Das leben-
dige Bewußtsein hierfür war unter den tausendfältigen Schlagworten, mit
denen unsere Volksseele von innen und außen vergiftet war, verloren ge-
gangen. Erst im Mai 1919, nach Bekanntgabe der unerhörten Friedens-
bedingungen, brach diese Erkenntnis im Volk und in der Nationalver=
sammlung durch. Wieder sprach derselbe Präsident schöne, ergreifende
Worte, sie verlangten Tatkraft scheinbar vom Augenblick; der offizielle
Draht wagte sie gar nicht weiterzugeben. Aber auch diesmal blieben die
Worte nur Worte. Der Fall war eingetreten, in dem sie das Vaterland
aufrufen wollten.
Ich ging in jenen Tagen stetig meinen schweren Weg weiter. Als
mir später, nach dem Eingang der zweiten Wilson-Note, vollständig klar
wurde, daß Wilson nicht durchdrang oder durchdringen wollte, sondern
Clemenceau und Lloyd George die stärkeren waren, daß wir zu Sklaven
werden sollten, da hieß es für mich allerdings, die Gedanken an den
Weiterkampf wirklich zu einer Tat umzusetzen und sich nicht mit hohlen
Worten zu begnügen. Ich erwartete von dem Prinzen Max und seiner
Regierung ein Einlösen ihrer Beteuerungen, nachdem sie und Deutschland
erkannt hatten, daß es am Grabe seiner Hoffnung auf einen Verständi-
gungsfrieden stand.