Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

594 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
  
  
liebe kann sich nur da behaupten, wo ihr mit gleichem Gefühl begegnet 
wird. Wer aus grundsätzlichem Abscheu vor der Gewaltanwendung sich 
nicht entschließen kann, der Gewalt anderer Gewalt entgegenzusetzen, der 
stärkt letzten Endes die Gewaltherrschaft — nämlich der anderen.“ 
Der „Vorwärts“ gewann damit seinen Standpunkt von 1914 zurück. 
Er vertrat dasselbe, was ich mein Leben lang vertreten habe. Gewalt nach 
außen und nach innen anzuwenden, ist niemands Freude. 1914 mußten 
wir zu den Waffen rufen, um die Gewaltherrschaft zu bekämpfen, der wir 
jetzt unterliegen. 
Theorie ist anders als die Praxis. 
VIII. 
Die Antwort des Präsidenten Wilson auf unser Angebot vom 
5. Oktober traf am 9. Oktober zunächst mit Funkspruch in Berlin ein. 
Militärisch forderte sie als Vorbedingung für den Abschluß eines Waffen- 
stillstandes die Räumung der besetzten Gebiete im Westen. Hierauf waren 
wir vorbereitet. Die Note ließ den Weg zu weiteren Verhandlungen offen. 
Auf Wunsch des Prinzen Max fuhr ich nach Berlin. Ich hatte ein 
längeres Gespräch unter vier Augen mit ihm. Ich kannte den Prinzen 
bereits. Er war zweimal im Großen Hauptquartier gewesen. Wir hatten 
uns lange unterhalten und uns gegenseitig interessiert zugehört. Viel Ge- 
meinsames hatten wir nicht. Vizekanzler v. Payer hatte ihn jetzt als den 
einzig möglichen Reichskanzler bezeichnet. Ich konnte mich damit abfinden. 
Ich hielt Prinz Max als Prinz und Offizier für geeignet, die neue Zeit ein- 
zuleiten. Ich glaubte, er würde geben, aber zugleich auch bremsen. Gehörte 
er doch einem alten Fürstengeschlechte an, das für die Größe Deutsch- 
lands ein warmes Empfinden hat. Er konnte so dem deutschen Vater- 
lande in schwerster Zeit nützen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. 
Der Prinz hatte mir zu der Besprechung einen Fragebogen vorlegen 
lassen, der in seiner Genauigkeit unmöglich zu beantworten, aber doch dafür 
charakteristisch war, wie wenig die Herren in Berlin das Wesen des Krieges 
kannten. Ich antwortete, so gut ich konnte. Meine Angaben bewegten sich 
in meinem bisherigen Gedankengang. Es lag für mich zu einer abweichen- 
den Stellungnahme kein Grund vor. Die Antwort Wilsons ließ noch die 
Hoffnung zu, daß wir einen Frieden bekämen, der uns nicht vernichtete. 
Unter vier Augen bat mich Prinz Max, mich von General v. Barten- 
werffer, Oberst Bauer und Oberstleutnant Nicolai zu trennen. Ich fragte 
nur, wessen diese Herren bezichtigt würden. Prinz Max sagte, er sähe 
nicht klar, er wiederhole nur, was ihm gesagt sei. Ich bat ihn daraufhin, 
mir bestimmte Angaben zukommen zu lassen; ich würde sie im Interesse
	        
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