Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die Antwort des Präsidenten Wilson 595 
der Herren gewissenhaft prüfen. Die Oberste Heeresleitung hat nichts er- 
halten. Auf bestimmte Anklagen wäre ich pflichtmäßig eingegangen, auf 
böswilligen Klatsch oder unverbürgtes Gerede hin konnte ich gewissenhafte 
und treue Männer nicht fallen lassen. Die Bitte hat mich peinlich berührt. 
Das gehörte zu den Sorgen, die in solcher Zeit eine deutsche Regierung in 
Berlin hatte! 
Der Prinz wollte auch andere höhere Offiziere über die Lage hören. 
Die Oberste Heeresleitung aber hatte allein einen Gesamtüberblick. Bei 
jeder Armee waren die Verhältnisse anders. Rückschlüsse von einer Armee 
auf die Gesamtfront waren ausgeschlossen. Ich lehnte ab. Der General- 
feldmarschall und ich hatten zudem allein die Verantwortung zu tragen. 
Seine Majestät konnte sich jeden Augenblick Außerungen einfordern, nicht 
aber der Reichskanzler. Noch unterstand die Armee ihrem Kaiserlichen 
Kriegsherrn. Anfang November, nach meinem Abgang, haben sich zwei 
Armeeführer im Kriegskabinett ausgesprochen, deren Auffassung der Lage 
sich mit der meinigen im wesentlichen deckte. Die Abweichungen erklärten 
sich aus der begrenzten Übersicht eines Armee-Oberbefehlshabers über die 
Gesamtlage. 
Wie jedes Mal nach der Niederlage eines Heeres werden Urteile aus- 
gesprochen oder niedergeschrieben werden, die so lange gut sein können, als 
sie sich aller Schlußfolgerungen enthalten, die der Beurteiler selbst nicht 
übersehen kann. Die Verhältnisse in der ganzen Armee und an unsern 
langen Fronten waren zu verschieden, Verallgemeinerungen sind nicht 
möglich; persönliche Erfahrungen, an einer Stelle gemacht, verführen nur 
zu leicht zu Verallgemeinerungen. Diese sind ebenso schädlich wie die 
hohlen Schlagworte, mit denen wir unser politisches Leben vergiftet haben. 
In der Wissenschaft gelten sie als ausgesprochenstes Kennzeichen der Halb- 
bildung. 
Offiziere, die da glauben, daß sie vorher alles überblickt haben, hätten 
besser getan, als aufrechte Männer zur Obersten Heeresleitung zu kommen, 
zu der sie doch Vertrauen hatten, und ihr das zu erzählen, was sie bedrückte. 
Ich erhielt nur wenige Briefe solcher Männer; gaben sie etwas Neues, 
so bat ich die Herren zu mir, um mit ihnen die Fragen zu besprechen. So 
sah ich z. B. Hauptmann Bakhaus vom Feldartillerie-Regiment 78. Er 
gab mir Aufschlüsse von wesentlichem Wert. 
Es war jetzt Zeit geworden, endgültige Klarheit darüber zu schaffen, 
ob das deutsche Volk weiterkämpfen wollte, wenn die Verhandlungen mit 
dem Feinde nicht zu einem Frieden führten, den wir annehmen konnten. 
Die Vorbereitungen mußten getroffen werden. Aus der Presse hatte die 
Oberste Heeresleitung ein günstiges Bild über diese Möglichkeit erhalten. 
Nach seiner Rede vom 5. Oktober hatte Prinz Max noch nichts getan, um 
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