Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
Zweite Note an Wilson 597 
  
  
Die Beantwortung der ersten Note Wilsons ging im Einverständnis 
zwischen Regierung und Oberster Heeresleitung vor sich. Mir gelang es 
noch, in die Note eine Anfrage zu bringen, ob sich England und Frankreich 
auch auf den Boden jener 14 Punkte stellten. An den innerpolitischen An- 
geboten hatte die Oberste Heeresleitung keinen Anteil. Sie vermochte 
wiederum den Ton nicht zu billigen. Unser Handeln zeigte zudem eine 
unwürdige Hast, alles über Bord zu werfen, was uns bis dahin heilig ge- 
wesen war. Der Feind mußte mit Genugtuung sehen, wie wir immer 
mehr in den Umsturz hineintrieben. 
In der ganzen Welt verstummte plötzlich das Gerede vom Versöh- 
nungsfrieden mit seinen idealen Schlagworten. Das war weiter nicht er- 
staunlich. Die Presse der Welt gehorchte der feindlichen Propaganda auf 
den Wink und sie gebrauchte dieses Wort nicht mehr. Die Entente hatte 
mit ihm ihr Ziel erreicht, jetzt konnte sie die Maske abwerfen und einen 
Gewaltfrieden anstreben. Aber auch bei uns kam das Wort von einem 
Versöhnungsfrieden nur noch schüchtern heraus. Die Männer, die diese 
Ideen bisher verkündet und die Verwirklichung eines Friedens des Rechts 
und der Versöhnung als durchaus möglich und leicht erreichbar hingestellt 
hatten, fanden nicht den sittlichen Mut, klar auszusprechen, daß sie sich in 
den Absichten des Feindes geirrt und das Volk verwirrt und ins Unglück 
gebracht hätten. Sie scheuten sich zum Teil nicht in undeutschem Denken, 
von dem Frieden nach den 14 Punkten Wilsons als von einem Frieden 
des Rechts zu sprechen. So entwürdigten wir uns bereits. Scharf hetzten 
sie gegen mich: Ich hätte jetzt durch mein übereiltes Waffenstillstandsange- 
bot ein neues Unglück verursacht, nachdem ich vorher durch meine Maß- 
losigkeit jeden Frieden verhindert hätte. So lenkten sie nun den Zorn des 
Volkes und der Armee auf mich. Hätten alle, die früher nur von Versöh- 
nungsfrieden redeten, vom Kriege und dem Schrecken der Niederlage ge- 
sprochen, würden sie mich unterstützt haben, auch die letzte Kraft des Volkes 
aufzubringen und es geistig kampffähig zu erhalten, so hätte ich jetzt nicht 
mit einem Antrag auf Waffenstillstand zu kommen brauchen. Klarheit 
wird auch hierüber werden. 
Am 12. Oktober ging die zweite Note nach Amerika. 
IX. 
Die Schlacht, die Ende September an der Westfront entbrannt war, 
hatte inzwischen ihren Fortgang genommen. Es handelte sich um eine ge- 
waltige Anstrengung des Feindes, die Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht 
und v. Boehn in Richtung Gent und Maubeuge sowie die Heeresgruppen 
Deutscher Kronprinz und v. Gallwitz auf ihren inneren Flügeln beider-
	        
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