Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

602 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
dem rechten Flügel war die Bewegung noch in Ausführung. Besonders 
schwer wog es, daß das Heer mit dem Zurückgehen in die Hermann-, Hun- 
ding-Brunhildstellung eine Menge Einrichtungen preisgab, die der Be- 
quemlichkeit der Truppen dienten. So gingen namentlich Entlausungsanstal- 
ten verloren, was ungemein störend ins Gewicht fiel. Die Oberste Heeres- 
leitung rechnete mit Fortgang der Angriffe in Richtung Gent und Mau- 
beuge, zwischen Oise und Aisne und zwischen oberer Aisne und Maas unter 
Hinübergreifen auf das rechte Maasufer. Ich war weiter auf sehr starken 
Kräfte= und Nervenverbrauch bei uns gefaßt. Wir hatten an vielen Stellen 
erfolgreich gekämpft, an anderen hatte der Feind trotz seiner großen Über- 
legenheit sich doch mit nur geringen Erfolgen begnügen müssen. Der Aus- 
gang der weiteren Kämpfe hing ausschlaggebend von dem inneren Halt der 
Truppen ab. Es mußten alle Mann an der Front festgehalten und 
von ausgesprochenem Kampfwillen beseelt werden. Die Wirkungen, 
die das Waffenstillstandsangebot hervorgerufen hatte, waren nicht 
günstig gewesen, die Kriegsmüdigkeit war größer geworden. Es fehlte als 
Gegengewicht jede starke Außerung der Heimat. Hier stand die Auf- 
klärungsarbeit still. Ich hörte viele Klagen hierüber aus der Armee. Die 
Heimat und die Regierung mußten endlich Farbe bekennen, ob sie noch 
Kampfwillen hatten, nur so war auf eine Kräftigung des Geistes im Heere 
zu hoffen. Die Befehle und Aufklärungen, die von Spaa an die Truppen 
gingen, genügten allein nicht. Schärfer als in jenen Tagen konnte sich der Zu- 
sammenhang zwischen Heer und Heimat gar nicht fühlbar machen. Das Heer 
verlangte Klarheit darüber, was es von der Heimat zu erwarten hatte. 
Die Räumung des Gebiets hinter der neuen Stellung wurde eifrig 
fortgesetzt. Die Eisenbahntransnortlage war dauernd überaus hochge- 
spannt. Ungeheure Massen Kriegsgerät waren zu bewältigen. Dies mußte 
Wochen und Monate in Anspruch nehmen. JIch legte besonderen Wert 
auf gründliche Vorbereitung der Zerstörung der Bahnen und Brücken, 
die unfehlbar einen Einfluß auf die Operationen haben mußten, und auf 
Weiterzurückführen aller eigenen Bestände bis nach Deutschland hinein. 
Ich besprach oft mit den Chefs die Räumungs= und Zerstörungsfragen. 
Wir gingen gegenüber der Bevölkerung mit größter Schonung vor, so wie 
wir es immer getan haben. Hierfür liegen Zeugnisse Einheimischer vor. 
Allerdings baten sie, öffentlich nicht für uns bekunden zu brauchen. Sie 
fürchteten die Stimmung in Paris. Auch eine neutrale Kommission fuhr 
aus Brüssel an die Front, sie berichtete von unserer Fürsorge, aber auch von 
den Verheerungen durch feindliche Artillerie und Flieger.— Das, was die Be- 
völkerung zu erleiden hatte, waren Folgen des Kriegszustandes, nicht unse- 
rer Kriegführung. Diese steht makellos da. Aber die Entente brauchte Be- 
schuldigungen gegen uns, um Wilson weiter in ihrem Sinne zu beeinflussen.
	        
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