602 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
dem rechten Flügel war die Bewegung noch in Ausführung. Besonders
schwer wog es, daß das Heer mit dem Zurückgehen in die Hermann-, Hun-
ding-Brunhildstellung eine Menge Einrichtungen preisgab, die der Be-
quemlichkeit der Truppen dienten. So gingen namentlich Entlausungsanstal-
ten verloren, was ungemein störend ins Gewicht fiel. Die Oberste Heeres-
leitung rechnete mit Fortgang der Angriffe in Richtung Gent und Mau-
beuge, zwischen Oise und Aisne und zwischen oberer Aisne und Maas unter
Hinübergreifen auf das rechte Maasufer. Ich war weiter auf sehr starken
Kräfte= und Nervenverbrauch bei uns gefaßt. Wir hatten an vielen Stellen
erfolgreich gekämpft, an anderen hatte der Feind trotz seiner großen Über-
legenheit sich doch mit nur geringen Erfolgen begnügen müssen. Der Aus-
gang der weiteren Kämpfe hing ausschlaggebend von dem inneren Halt der
Truppen ab. Es mußten alle Mann an der Front festgehalten und
von ausgesprochenem Kampfwillen beseelt werden. Die Wirkungen,
die das Waffenstillstandsangebot hervorgerufen hatte, waren nicht
günstig gewesen, die Kriegsmüdigkeit war größer geworden. Es fehlte als
Gegengewicht jede starke Außerung der Heimat. Hier stand die Auf-
klärungsarbeit still. Ich hörte viele Klagen hierüber aus der Armee. Die
Heimat und die Regierung mußten endlich Farbe bekennen, ob sie noch
Kampfwillen hatten, nur so war auf eine Kräftigung des Geistes im Heere
zu hoffen. Die Befehle und Aufklärungen, die von Spaa an die Truppen
gingen, genügten allein nicht. Schärfer als in jenen Tagen konnte sich der Zu-
sammenhang zwischen Heer und Heimat gar nicht fühlbar machen. Das Heer
verlangte Klarheit darüber, was es von der Heimat zu erwarten hatte.
Die Räumung des Gebiets hinter der neuen Stellung wurde eifrig
fortgesetzt. Die Eisenbahntransnortlage war dauernd überaus hochge-
spannt. Ungeheure Massen Kriegsgerät waren zu bewältigen. Dies mußte
Wochen und Monate in Anspruch nehmen. JIch legte besonderen Wert
auf gründliche Vorbereitung der Zerstörung der Bahnen und Brücken,
die unfehlbar einen Einfluß auf die Operationen haben mußten, und auf
Weiterzurückführen aller eigenen Bestände bis nach Deutschland hinein.
Ich besprach oft mit den Chefs die Räumungs= und Zerstörungsfragen.
Wir gingen gegenüber der Bevölkerung mit größter Schonung vor, so wie
wir es immer getan haben. Hierfür liegen Zeugnisse Einheimischer vor.
Allerdings baten sie, öffentlich nicht für uns bekunden zu brauchen. Sie
fürchteten die Stimmung in Paris. Auch eine neutrale Kommission fuhr
aus Brüssel an die Front, sie berichtete von unserer Fürsorge, aber auch von
den Verheerungen durch feindliche Artillerie und Flieger.— Das, was die Be-
völkerung zu erleiden hatte, waren Folgen des Kriegszustandes, nicht unse-
rer Kriegführung. Diese steht makellos da. Aber die Entente brauchte Be-
schuldigungen gegen uns, um Wilson weiter in ihrem Sinne zu beeinflussen.