604 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
X.
In seiner Antwort auf unsere zweite Note gab uns Wilson nichts; er
sagte auch nicht, ob die Entente sich auf den Boden jener 14 Punkte stellte.
Er verlangte aber Einstellung des U-Bootkrieges, stellte unsere Kriegfüh-
rung im Westen als völkerrechtswidrig hin und griff wiederum in unklaren
Worten tief in unser innerpolitisches Leben ein. Irgendein Zweifel über
die Absichten unserer Feinde und über den vorherrschenden Einfluß von
Clemenceau und Lloyd George war nicht mehr möglich. Wilson war nicht
gewillt, den weitgehenden Forderungen Frankreichs und Englands ent-
gegenzutreten. Schwere Entschlüsse wurden von uns gefordert. Wir
standen jetzt klar und einfach vor der Entscheidung: Wollten wir uns auf
Gnade oder Ungnade der Entente ausliefern oder sollte die Regierung
das Volk zum letzten Verzweiflungskampf aufbieten. Wir mußten die
Note würdig und fest beantworten, unser ehrlicher Wille zum Waffenstill-
stand war nochmals zu betonen, aber zugleich auch für die Ehre unserer
tapferen Armee warm einzutreten. Die U-Bootwaffe durften wir uns
nicht aus der Hand schlagen lassen. Damit beschritten wir den Weg der
Kapitulation.
Die Besprechung der Note fand in einer Sitzung des Kriegskabinetts
am 17. Oktober in Berlin statt. Oberst Heye und ich wohnten ihr bei. Ich
hatte auch General Hoffmann dorthin gebeten. An der Front wurde an
diesem Tage bei der 18. Armee schwer gerungen.
Der Reichskanzler stellte wieder verschiedene Fragen und führte zu-
nächst, zu mir gewandt, etwa folgendes aus: Es läge jetzt eine neue Note
Wilsons vor, die eine Steigerung seiner Forderungen enthielte. Wilson sei
offenbar durch äußere Einflüsse in eine schwierige Lage geraten. Er scheine
zu hoffen, daß wir die Möglichkeit gäben, mit uns weiter zu verhandeln und
den Widerstand der Kriegstreiber zu überwinden. Vor Beantwortung der
Note sei klarzustellen, was die militärische Lage Deutschlands erfordere.
Ich hatte eine andere Auffassung von der Denkungsart unserer Feinde.
Ich sah allein den feindlichen Vernichtungswillen, der uns bedrohte.
Zu den vielen Fragen, die mir vorgelegt wurden, nahm ich grund-
sätzlich wie folgt Stellung:
„Es wurde schon früher eine Reihe von Fragen an mich gerichtet, die
präzise zu beantworten ganz ausgeschlossen ist. Der Krieg ist kein Rechen-
exempel. Es gibt im Kriege eine Menge Wahrscheinlichkeiten und Unwahr-
scheinlichkeiten. Was schließlich eintrifft, weiß kein Mensch. Als wir im
August 1914 nach Östpreußen kamen und die Befehle zur Schlacht von
Tannenberg ausgegeben wurden, da wußte man auch nicht, wie es gehen
würde, ob Rennenlampf marschieren würde oder nicht. Er ist nicht mar-