Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

606 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918 
  
entlassen; sie sah weiterhin zu, wie Herr Joffe in Berlin Gelder und Schrif- 
ten verteilte und die Revolution vorbereitete. Unsere Warnungen, auch 
die des Oberkommandos in den Marken, waren weiterhin in den Wind ge- 
sprochen. General Hoffmann scheint durch seine Beziehungen zu Herrn 
Solf in diesen Tagen einigen Mitgliedern der Regierung die Augen end- 
lich geöffnet zu haben. Die Mehrheitssozialisten erkannten als Par- 
tei die große Gefahr des Bolschewismus. Aber während der „Vor- 
wärts“ auf der einen Seite vor ihm warrnte, leistete er ihm durch seine 
Angriffe gegen die Autorität und die Schürung des Klassenhasses auf der 
anderen beharrlich Vorschub. Ende Oktober wurde Joffe endlich aus- 
gewiesen. Wir traten damit von neuem in den Kriegszustand mit Rußland. 
Die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gegenüber den Bolschewisten 
erhielt hierdurch ihre tiefe Begründung. 
In der Sitzung wies ich auch noch auf die ungemessene kriegswirt- 
schaftliche Bedeutung des Gebietes des Oberbefehlshabers Ost hin. 
Die Frage, ob die Ukraine zu räumen sei, konnte nicht erledigt werden, 
es hatten keine grundlegenden Vorbesprechungen stattgefunden. Aus dem 
Handgelenk ließ sie sich eben nicht entscheiden. Graf Roedern wollte die 
Ukraine aufgeben. Die Zivilbevölkerung hätte zu wenig von ihr 
Staatssekretär Solf betonte den hohen Wert der Ukraine, er wollte 
sie auch aus Menschlichkeitsgründen besetzt halten. Ich konnte mich dem- 
gegenüber nur auf den Standpunkt stellen: Was ist nützlich für Deutschland? 
Staatssekretär v. Waldow brachte keine größere Klarheit. Diese mußte 
aber endlich erzielt werden. Ich bat den Reichskanzler um erschöpfende 
Behandlung der Frage. Die Oberste Heeresleitung ist im Februar in Über- 
einstimmung mit der Regierung in die Ukraine eingerückt, weil sie dies 
nicht nur wegen der Bolschewistengefahr, sondern auch für die Versorgung 
des Vierbundes aus innerster Überzeugung für unabweislich hielt. Öster- 
reich-Ungarn hatte sich im Sommer mit Hilfe der Ukraine über Wasser ge- 
halten. Uns hatte sie Vieh und Pferde, viele Rohstoffe, wenn auch nicht 
das erwartete Getreide gegeben. Noch war Krieg. Rumänien hatte eine 
vollständige Mißernte. Wir hatten durch Frühdrusch wieder auf Vorschuß 
gelebt. Wir und die anderen Vierbundstaaten konnten Verpflegungszu- 
schüsse, auf die wir angewiesen waren, nur aus der Ukraine bekommen. 
Ohne sie gingen wir im Frühsommer 1919 einer schweren Krisis entgegen. 
Die Frage über den Wert der Ukraine ist im Herbst 1918 nicht mehr von 
der Regierung geklärt worden. Hätten wir jetzt das Land geräumt, was 
sehr lange Zeit in Anspruch genommen haben würde, so konnten wir nach 
und nach zehn nicht kampfkräftige Divisionen gewinnen. Die Vorteile 
würden nicht die Nachteile überwogen haben, die wir damit auf uns ge- 
nommen hätten.
	        
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