610 Der Endkampf Sommer und Herbst 1918
Ich kam dann noch auf die Zerstörungen, die wir nach den Angaben
der Entente bei unserem Rückzuge ausführten.
„Wir haben pflichtmäßig alles getan, um die Zerstörungen derart zu
beschränken, wie es militärisch noch zu vertreten ist. Es ist schon nicht mehr
zu verantworten, daß man Häuser unzerstört läßt. Unterkunft ist eine
große Hilfe für den Feind. Später haben die Feinde doch die Häuser zer-
stört. In Lille sind das elektrische Licht, die Wasserleitung, die Trambahn
unversehrt gelassen, aber Telegraph, Fernsprecher und Eisenbahn zerstört
worden. Das schlimmste sind die englischen Kanonen und Flieger.
Die Armee ist nicht verantwortlich für einzelne rohe Menschen. Ich
kämpfe gegen solche Roheit. Ich bitte dies in der Note an Wilson zu
betonen, denn die Armee hat ein Recht darauf.“"
Hiermit schloß die Sitzung. Die Staatssekretäre Gröber und Hauß-
mann, neben denen ich saß, drückten mir ihre Freude aus, daß ich ihre
Stimmung gehoben hätte. Ich fuhr zuversichtlich nach Spaa zurück.
In der Sitzung war auch von einer Katastrophe die Rede gewesen,
die die Oberste Heeresleitung Ende September oder Anfang Oktober an
die Wand gemalt haben sollte. Dies im Zusammenhange mit der Gedanken-
verbindung des Staatssekretärs Solf, ich habe meine Stellungnahme ge-
ändert, veranlaßte mich, nochmals mit Major Frhrn. v. dem Bussche über
seinen Vortrag Anfang Oktober zu sprechen. Er konnte auch jetzt nur auf
seine Niederschrift hinweisen. Auch Oberst v. Haeften hat nie in einem
solchen Sinne gesprochen.
Die gehobene Stimmung hielt in Berlin bis zum 19. Oktober mittags
an. Dann wurde sie umgeworfen. Ich kenne die Vorgänge nicht näher.
Warum drängten nicht die Staatssekretäre, die sich am 17. so vertrauens-
voll ausgesprochen hatten, zur Tat? Sie wußten doch, um was es ging!
Und wenn am 12. Mai 1919 der Staatssekretär Konrad Haußmann unter
stürmischem Beifall aussprach: „Hätte unser Heer, hätten unsere Arbeiter
am 5. und 9. November gewußt, daß der Friede so aussehen würde, das
Heer hätte die Waffen nicht niedergelegt, es hätte ausgehalten“, — so stehe
ich auch hier wieder vor etwas Unfaßlichem. Das, was gekommen ist, war
am 17. Oktober zu erwarten. Das steht in der Weltgeschichte unverrückbar fest.
Wir hatten vor einer Kapitulation gewarnt. Man brauchte sich doch end-
lich nur auf den Boden der Wirklichkeit zu stellen. Man mußte nur auf-
hören, sich selbst und das Volk zu belügen, man mußte den Entschluß zur
Tat finden, der in der Obersten Heeresleitung feststand.
Am 20. bekamen wir den neuen Antwortentwurf nach Spaa geschickt.
Der U-Bootkrieg war fallen gelassen, der Weg zur Kapitulation mit allen
seinen unheilvollen Folgen war beschritten. Der Generalfeldmarschall und
ich wiesen hierauf wiederum hin und erhoben nochmals warnend unsere