Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die dritte Wilsonnote 611 
  
Stimme. Wir schlugen einen Volksaufruf vor. Wir lehnten jede Beteili- 
gung an diesem Entwurf ab. Das Kriegskabinett war darüber erregt. 
Warum, das weiß ich nicht. Win waren Männer mit eigener Meinung 
und gingen den Weg, den wir als richtig ansahen und stetig verfolgt hatten. 
Die Antwort an Wilson ging am 20. Oktober ab. Der U-Bootkrieg 
wurde preisgegeben. Das Heer und namentlich die Marine wurden durch 
dies Nachgeben Wilson gegenüber auf das tiefste getroffen. Der Stim- 
mungsniedergang bei der Marine muß unermeßlich gewesen sein. Das 
Kabinett hatte die Flinte ins Korn geworfen. 
Hieran wurde nichts geändert, wenn der Reichskanzler am 22. Oktober 
erklärte: „Wer sich ehrlich auf den Boden des Rechtsfriedens stellt, der 
hat zugleich die Pflicht übernommen, sich nicht kampflos dem Gewaltfrieden 
zu beugen. Eine Regierung, die hierfür keine Empfindung hat, wäre der 
Verachtung des kämpfenden und arbeitenden Volkes preisgegeben.“ Auch 
diesen Worten folgte keine Tat. Es geschah nichts, um den Geist in 
der Heimat und im Heere zu heben. Prinz Max hat sich und seinen Mit- 
arbeitern das Urteil gesprochen. 
Nur der Kriegsminister arbeitete, um den Ersatz bereitzustellen. Auch 
hier kam es wieder zu nichts, ein Teil des Ersatzes wollte nicht mehr an 
die Front. Die Regierung gab nachl 
XI. 
Am 23. oder 24. Oktober ging die Antwort Wilsons ein. Es war eine 
treffende Erwiderung auf unsere Entmannung. Er sprach es jetzt auch klar 
aus, daß die Waffenstillstandsbedingungen nur solche sein könnten, die 
eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten deutscherseits unmöglich machten 
und den verbündeten Mächten die unbeschränkte Macht gäben, selbst die 
Einzelheiten des von der deutschen Regierung angenommenen Friedens 
sicherzustellen. Es konnte nach meiner Ansicht nun für niemanden mehr 
ein Zweifel sein, daß gekämpft werden müsse. Ich glaubte auf Grund der 
Eindrücke in der Sitzung vom 17. Oktober bestimmt, daß das Volk noch 
dafür zu haben sei, obschon wieder kostbare Tage vergangen waren. 
Im Westen nahmen die Ereignisse seit diesem Tage folgenden Verlauf: 
Die 4. Armee beendete ihre rückgängige Bewegung in die Hermann- 
stellung bei engster Berührung und in steten Kämpfen mit dem nachfolgen- 
den Feinde. Brügge, Thielt, Kortrik wurden am 19. geräumt. Am 20. 
wurde an der Lys gekämpft, der Gegner gewann bei Deinze das östliche 
Ufer. Durch starken Druck zwischen Lys und Schelde versuchte er uns von 
der Lys abzudrängen. Am 25. nahmen die Kämpfe wieder den Charakter 
der Schlacht an, in der der Feind gegen die Schelde auf Gent—Oudenaarde 
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