Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die Mutlosigkeit der Regierung 615 
  
stand müsse aber Deutschland militärisch so wehrlos machen, daß es die 
Waffen nicht mehr aufnehmen könne. Über einen Frieden würde er mit 
Deutschland nur verhandeln, wenn dieses sich den Forderungen der Ver- 
bündeten in bezug auf seine innere Gestaltung völlig füge; andernfalls gebe 
es nur die bedingungslose Unterwerfung. 
Die Antwort Wilsons fordert die militärische Kapitulation. Sie ist 
deshalb für uns Soldaten unannehmbar. Sie ist der Beweis, daß der 
Vernichtungswille unserer Feinde, der 1914 den Krieg entfesselte, unver- 
mindert fortbesteht. Sie ist ferner der Beweis, daß unsere Feinde das Wort 
„Rechtsfriedens nur im Munde führen, um uns zu täuschen und unsere 
Widerstandskraft zu brechen. Wilsons Antwort kann daher für uns Sol- 
daten nur die Aufforderung sein, den Widerstand mit äußersten Kräften fort- 
zusetzen. Wenn die Feinde erkennen werden, daß die deutsche Front mit allen 
Opfern nicht zu durchbrechen ist, werden sie zu einem Frieden bereit sein, 
der Deutschlands Zukunft gerade für die breiten Schichten des Volkes sichert. 
Im Felde, den 24. Oktober, abends 10 Uhr. gez. v. Hindenburg.“ 
Ich war so beschäftigt gewesen, daß der betreffende Major, der das 
Telegramm zu entwerfen hatte, in Rücksicht auf die bevorstehende Eisen- 
bahnfahrt mit ihm erst zum Generalfeldmarschall und dann zu mir ge- 
gangen war. Ich bekam sonst die Schriftstücke, die der Feldmarschall unter- 
schrieb, vorher zur Gegenzeichnung vorgelegt. Der Befehl entsprach nicht 
der Antwort an Wilson vom 20. Oktober. Ich wurde stutzig und fragte den 
Mojor, ob die Tendenz des Befehls wirklich mit den Anschauungen der Re- 
gierung übereinstimme. Er antwortete mir bejahend. Der Befehl entspräche 
den Ausführungen, die den Vertretern der Presse im Auswärtigen Amt 
durch Oberst v. Haeften und Geheimrat v. Stumm gemacht waren. Ich 
war wieder einmal hoffnungsfreudig und gab nun auch mein Signum. 
Später stellte sich heraus, daß die Anschauung, der Inhalt des Telegramms 
entspräche der Auffassung der Reichsleitung, nicht zutreffe. Oberst Heye 
hielt daraufhin den Befehl an. Aus Kowno, wo revolutionäre Organi- 
sationen den Fernsprechverkehr bereits damals kontrollierten, kam der Be- 
fehl zur Kenntnis der unabhängigen Sozialdemokratie und damit in den 
Reichstag. Außerdem war er auch, wie üblich, in der Pressebesprechung 
vertraulich bekanntgegeben worden. Bei den Reichstagsverhandlungen am 
25. mittags ergoß sich eine Sturmflut der Entrüstung über die Oberste 
Heeresleitung. Die Regierung rührte nicht einen Finger zu ihrer Verteidi- 
gung, obschon sie zur Stunde noch Autorität für ein gewaltiges Heer war. 
Ich bekam erst am 25. spät abends Nachricht von diesem Vorgang. Sonst 
würde ich ihn mit dem Vizekanzler v. Payer besprochen haben. Später 
ist die Entstehungsgeschichte des Befehls im Zusammenhang der Regierung
	        
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