Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Nachwort 621 
  
schaffender Kräfte und streicht alles Persönliche. Sie setzt dafür Massen- 
herrschaft und Mittelmäßigkeit. Die Triebkraft allen staatlichen und 
Wirtschaftslebens für den Wiederaufbau ist in Frage gestellt, wenn nicht 
auf lange Zeit hinaus tot. 
So kann die durch den Frieden geschwächte Heimat die Bevölkerung 
nicht erhalten. 
In Deutschland fließt Bruderblut. weutsches Gut wird zerstört. 
Staatsgelder werden verschleudert und zu eigennützigen Zwecken ver- 
wendet, die Finanzen des Reichs, der Einzelstaaten und Gemeinden mit 
jedem Tage zerrütteter. Die gesunkene Moral des Volkes treibt haltlos in 
der „Freiheit“ der Revolution; die niedrigen Instinkte des Menschen suchen 
sich unbeschränkt und ohne jede Rücksicht auszuleben. Überall herrschen 
Unordnung, Arbeitsscheu, Trug und Übervorteilung, dabei an vielen 
Stellen der widerlichste Genußtaumel — dicht neben den Gräbern der 
Millionen für ihr Vaterland Gebliebenen und im Angesicht der vielen Ver- 
stümmelten, auf denen unser Auge ruht. Deutschland bietet ein grauenvolles 
und würdeloses Schauspiel, das unsagbare Trauer in jedem deutschfühlenden 
Herzen auslöst, beim Feinde und Neutralen aber Verachtung erweckt. 
Deutsche Männer treten auf und klagen Deutschland vor dem Feinde 
angeblicher Schandtaten an, um ihm zu gefallen und Milde von ihm 
zu erbetteln. Deutsche Männer, die treu dem Vaterlande gedient, werden 
von seiner Regierung dem Feinde ausgeliefert, um dessen Triumph zu 
dienen. Das war der Tiefstand unserer Selbsterniedrigung, die mit Scham 
und Ekel vor dem deutschen Volk erfüllt. 
Durch die Revolution haben sich die Deutschen zu den Parias unter 
den Völkern gemacht, nicht mehr bundesfähig nach außen, Heloten im 
Dienst fremder Männer und ausländischen Kapitals, der Achtung ent- 
kleidet vor sich selbst. 
„In zwanzig Jahren wird das deutsche Volk die Parteien verdam- 
men, die sich rühmen, die Revolution gemacht zu haben.“ Ein wahres 
Wort ungeheurer Schwere, gesprochen auf dem 2. Rätekongreß in Berlin 
im April 1919 von einem Sozialdemokraten an seine Genossen. 
* 
Das Schicksal des deutschen Volkes ist durch den Frieden für die 
Gegenwart vollendet. Dunkel liegt die Zukunft vor uns; hell leuchtet nur 
die Tat der Männer von Scapa Flow in sie hinein! 
Alle Gaukelbilder sind zerronnen, die Massensuggestion beginnt zu 
schwinden. Wir sehen in ein Nichts. Sich selbst belügen, reden, hoffen 
auf andere oder auf Phantome, Mut allein in Worten als Vertröstung für 
die Zukunft und Schwäche in der Gegenwart helfen uns nicht, wie sie uns 
nie geholfen haben.
	        
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