16 Mein Denken und Handeln
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Es gab naturgemäß taktische Lagen, bei denen in Einzelanordnungen die An-
sichten der Kommandobehörden mit denen der Obersten Heeresleitung aus-
einandergingen. Die Entscheidung blieb dann häufig bei der örtlichen Kom-
mandobehörde. Ich stand dabei vor inneren Konflikten: hatte sie den Erfolg
für sich, so freute ich mich; hatte sie Mißerfolg, so fühlte ich mich belastet.
Auf mündliche Aussprache und das Sammeln unmittelbarer Ein-
drücke legte ich den größten Wert. Ich fuhr gern an die Front und be-
nutzte als Erster Generalquartiermeister stets einen Sonderzug mit beson-
deren Arbeits= und Telegraphenwagen. Der Dienst hörte während der
Fahrt nicht auf. Auf bestimmten Stationen wurden die Tagesmeldungen
wie im Hauptquartier entgegengenommen und im Bedarfsfalle mit aller
Welt in Verkehr getreten.
Mein persönliches Verhältnis zu Stäben und Truppen war har-
monisch. Man schenkte mir viel Vertrauen.
Besonders gern denke ich an meine Beziehungen zum Haupt-
quartier des Deutschen Kronprinzen. Der Kronprinz zeigte viel Ver-
ständnis für den militärischen Beruf und stellte kluge, sachgemäße
Fragen. Er liebte den Soldaten und bekümmerte sich um die Truppe.
Er war nicht für den Krieg, sondern sprach für den Frieden. Dies
bleibt richtig, auch wenn andere das Gegenteil behaupten. Der Kron-
prinz hat es stets bedauert, daß er für seinen Beruf als späterer Kaiser
nicht genügend vorbereitet wurde, und hat sich alle mögliche Mühe gegeben,
dies nachzuholen. Er meinte mir gegenüber, er habe es schlechter als
ein Facharbeiter. Auch hat er eine Denkschrift darüber ausgearbeitet, die
er seinem Kaiserlichen Vater und dem Reichskanzler überreichte. Dem
Kronprinzen haben seine Außerlichkeiten geschadet; er war mehr, als er
hiernach schien.
Der Chef der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, Oberst Graf v. der
Schulenburg, ein sehr klar denkender und tatkräftiger Offizier, war mir
eine gute und zuverlässige Stütze.
Auch bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern war
ich häufig. Ihr umsichtiger und ungemein fleißiger Generalstabschef, Ge-
neral v. Kuhl, war ein alter Jugendbekannter von mir; ich konnte seine
Ruhe auch in schweren Lagen bewundern.
Es würde zu lang werden, wenn ich auch die anderen Heeresgruppen
und Armeen besprechen würde. Ich möchte hier nur noch des Generals
v. Loßberg gedenken. Dieser hervorragende Offizier und Kampforgani-
sator hat dem Vaterlande und der Armee oft geholfen. Sein Vertrauen
zu mir war mir eine besondere Genugtuung.
Bei meiner Anwesenheit an der Front trugen mir die Chefs die Lage
vor. Die Oberbefehlshaber waren hierbei zugegen. Die Chefs sprachen sich