58 Der Feldzug in Polen Herbst 1914
im Grenzschutz zwischen Kattowitz und Thorn auf polnischem Boden stand,
konnte ihn decken. «
Das Armee-Oberkommando selbst wollte die Armee am liebsten etwa
zwischen Beuthen und Pleschen versammeln. Die Oberste Heeresleitung
hielt es in Rücksicht auf die k. u. k. Armee indes für erforderlich, den Auf—
marsch schärfer nach Südosten zu verschieben, um die deutsche Ver—
stärkung für Österreich-Ungarn und die k. u. k. Armee augenfälliger werden
zu lassen. Der rechte Flügel der 9. Armee, XI. A. K., kam so nach Krakau,
der linke wurde entsprechend nach Süden gezogen. Der nahe Anschluß an
die k. u. k. Armee mußte naturgemäß die Operationsfreiheit der 9. Armee
beengen. Besondere Nachteile sind aber hieraus nicht entstanden.
Am 17. September traf Generaloberst v. Hindenburg mit einem Teil
des Stabes in Breslau ein. Wir waren nunmehr wiederum an wichtiger
Stelle zur kriegerischen Zusammenarbeit berufen.
Ich selbst fuhr schon am 18. nach Neu-Sandec, dem Hauptauar-
tier der k. u. k. Armee. Die Fahrt dorthin bei trübem, regnerischen
Wetter brachte mir Neues. Oberschlesien mit seiner hohen Kultur war
mir bisher fremd gewesen. In Galizien lernte ich wohl das verwahr-
loseste Land Europas kennen und bekam einen Begriff von der polnischen
Wirtschaft. Besonders rückständig war der polnische Jude, noch rück-
ständiger als sein Glaubens= und Stammesgenosse in Polen. Es ist das
nicht allein Schuld dieses Volkes, sondern auch die seiner Regierenden.
In Neu-Sandec meldete ich mich beim Erzherzog Friedrich, einem
Mann mit warmem, deutschen Herzen und echt soldatischen Empfindungen.
Ich denke in Verehrung an ihn zurück. Der geistige Leiter der Operationen
der k. u. k. Armee war General v. Conrad, ein kluger, geistig besonders
elastischer und bedeutender General. Er war ein Feldherr mit seltenem
Gedankenreichtum und gab der k. u. k. Armee stets neuen Impuls. Das
wird sein ewiges Verdienst bleiben. Die k. u. k. Armee war aber nicht kraft-
voll genug, seine kühnen Entwürfe in jedem einzelnen Fall auszu-
führen. Für die Armee war im Frieden zu wenig geschehen. Sie
wurde ausgesprochen vernachlässigt und hatte in ihrer Heimat nicht das
Ansehen, das zu Taten verpflichtet, wie unsere Armee in Deutschland. Die
Blüte des Frontoffizierkorps, das über dem völkischen Zwist die Armee zu-
sammengehalten hatte, war bereits gefallen; was in der späteren Folge
noch da war, ließ an vielen Stellen sehr zu wünschen übrig und bildete
nicht mehr den Kitt der Armee. Auch der gute, tapfere Soldatenstamm
war auf den Schlachtfeldern geblieben. Die k. u. k. Armee war ganz
anders erzogen als die deutsche. General v. Conrad hatte unsere
Friedensausbildung bisher nicht hoch bewertet. Jetzt bekannte er sich mir
gegenüber offen zu ihren Grundsätzen. Namentlich, meinte er, könne