Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

70 Der Feldzug in Polen Herbst 1914 
  
Vor IJwangorod sollte der Austausch durch Teile der 1. Armee auf 
Befehl des Generals v. Conrad derart erfolgen, daß die Übergangsstellen 
freigegeben wurden. Die k. u. k. Truppen sollten dann die nachfolgenden 
Russen in die Weichsel zurückwerfen. Wir rieten auch hiervon dringend 
ab, aber das Schicksal sollte seinen Weg gehen. 
Die k. u. k. Infanterie-Truppen-Divisionen der 1. Armee, die das 
Landwehrkorps und Garde-R. K. an der Weichsel freimachen sollten, 
näherten sich langsam. Die Ablösung aller Teile konnte vor dem 
20. nicht durchgeführt werden. Inzwischen hatte die Lage vor Warschau 
eine Gestaltung angenommen, die dringend einen Entschluß forderte. Die 
feindliche Umfassung rückte in immer greifbarere Nähe. Der feindliche 
Druck bei Nowo Georgiewsk und Warschau wurde immer stärker. 
Es trat eine gewaltige Hochspannung ein. Die Schlacht anzunehmen, 
wäre zu gefahrvoll gewesen. Jetzt wurde es klar, daß die Stunde kommen 
würde, in der General v. Mackensen von Warschau zurückgenommen 
werden mußte. Das durfte nicht zu früh und nicht zu spät geschehen. Es 
war ein schwerer Entschluß. Was würde die Heimat sagen! Am 
17. Oktober abends hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, den Abmarsch 
zu befehlen. Ich bat den Generaloberst v. Hindenburg, nunmehr die 
Gruppe des Generals v. Mackensen von Warschau in westsüdwestlicher 
Richtung in die Linie Rawa—ekiernjewitze—Lowitsch zurückzunehmen. 
Wir konnten hoffen, daß es gelingen würde, das abgelöste Landwehrkorps 
noch rechtzeitig in eine Stellung zwischen Nowe Mjassto und Rawa nördlich 
der Pilitza zu bringen. Es entstand hier eine neue Front, gegen die der 
Russe anrennen konnte. Ihr linker Flügel war durch Landsturm und 
Kavallerie allerdings nur unvollkommen gedeckt, aber seine Zurücknahme 
blieb möglich. Biß der Russe fest an, so wurde es denkbar, ihm mit den 
inzwischen vereinigten oder zur Stelle befindlichen XX., XI. A. K. und 
Garde-R. K. über die Pilitza östlich Nowe Miassto in die Flanke zu gehen 
und eine Schlachtentscheidung zu erstreben. Durch diese Operationen 
konnte Zeit gewonnen werden. Es mußte endlich klar werden, ob die 
k. u. k. Armee südlich des San erfolgreich wäre. 
Dies wurde immer zweifelhafter. Der Russe ging sogar in der Nacht 
vom 17./18. Oktober seinerseits über den San und tat damit das, was die 
k. u. k. 4. Armee nicht fertig bekommen hatte. 
General v. Mackensen marschierte in der Nacht vom 18./19. von 
Warschau ab. Die Bewegungen, schon seit langem vorbereitet, gingen 
in musterhafter Ordnung vor sich. Der Feind machte keine Beute und 
drängte erst allmählich scharf nach. 
Am 25. und 26. Oktober wurden General v. Mackensen und das recht- 
zeitig eingetroffene Landwehrkorps, auch die 37. Inf. Div., nördlich Nowe
	        
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