Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

72 Der Feldzug in Polen Herbst 1914 
  
  
mehr zu ändern. Der Russe drang von Nowo Alexandrija und Iwan- 
gorod vor und überschritt auch an der Pilitzamündung die Weichsel. 
Von dem Entschluß der k. u. k. 1. Armee, auf Radom auszuweichen, 
erhielt ich erst durch Zufall Kenntnis. In Rücksicht auf das Garde-R. K. 
erhob Oberstleutnant Hoffmann sofort Einspruch. Die k. u. k. 1. Armee 
blieb noch einige Stunden stehen, was auch ganz gut ging. Dem Garde- 
R. K. war geholfen, an den Angriff über die Pilitza in süd-nördlicher Rich- 
tung aber nicht zu denken, da seine rechte Flankensicherung eingedrückt war. 
Zur Stützung des linken Flügels der Gruppe Mackensen wurde nun 
das XI. A. K. in die Gegend nordöstlich Lodz in großen Märschen ver- 
schoben. 
Durch das Zurückgehen der k. u. k. Armee von Iwangorod nach 
Radom hatte sich die Lage vollständig geändert. Jetzt war ein starkes Nach- 
drücken des Feindes auf der ganzen Weichselfront zu erwarten. Wir 
mußten bezweifeln, daß die k. u. k. Truppen dem widerstehen würden. Auch 
südlich der Weichsel war ihre Lage immer kritischer geworden. Jede Hoff- 
nung auf eine günstige Waffenentscheidung war endgültig geschwunden. 
Blieb die 9. Armee in dieser Gesamtlage stehen, so wurde sie mit der Zeit 
nur umgangen und geschlagen. Das Schicksal der k. u. k. Armee ergab sich 
damit von selbst. Die 9. Armee mußte, um wieder operieren zu können, 
zurückgenommen werden. Es war klar, daß sich diese Bewegung auf die 
k. u. k. Truppen übertragen würde. Die russischen Angriffe hätten sie 
indessen ohnehin zum Zurückgehen gezwungen. 
Wenn österreich-ungarischerseits später gesagt wurde, ihre Armee 
wäre zurückgegangen, weil die 9. Armee zurückgenommen wurde, so ist 
das richtig und unrichtig. Es wird verschwiegen, daß der Grund für diese 
Zurücknahme der 9. Armee lediglich in dem Versagen der zu Beginn des 
Krieges so tapferen k. u. k. Armee zu finden ist, die die Nachwirkungen 
der Schlachten bei Lemberg nicht überwinden konnte. 
VII. 
Die Befehle für den Rückmarsch, dessen Wahrscheinlichkeit sozusagen 
in der Luft gelegen hatte, wurden am 27. ausgegeben. Es war eine un- 
gemein kritische Lage. Die Operation im Oktober hatte Zeit gewonnen, 
sie war aber nicht geglückt. Es schien jetzt das eintreten zu sollen, was 
durch den Aufmarsch Ende September in Oberschlesien und den daran an- 
schließenden Vormarsch zu verhindern gewesen war: der Einfall des stark 
überlegenen russischen Heeres in Posen, Schlesien und Mähren wurde 
wahrscheinlich. 
Die allgemeinen Weisungen für den Rückzug waren den deutschen
	        
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