Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Oberbefehlshaber Ost 75 
  
Sie hatte der Entwicklung im Osten mit den allerschwersten Sorgen 
zugesehen. 
Die Lage bei Mlawa und an der Ostgrenze Ostpreußens wurde mit 
jedem Tage ernster. Das neugebildete XXV. R. K., zur Verstärkung nach 
Ostpreußen geschickt, hatte sich heldenmütig geschlagen. Es stellte sich aber 
bald heraus, daß der Kampfwert der Neuformationen weit hinter dem der 
Truppen zurückblieb, die sich aus langgedienten Mannschaften zusammen- 
setzten und mit frischen und tatkräftigen Offizieren ausgestattet waren. Diese 
neuen Armeekorps hatten einen wundervollen Menschenbestand in Reih 
und Glied, aber es waren noch keine Soldaten. Ihr Heldenmut und ihre 
Hingabe ersetzten die fehlende Ausbildung nicht. Auch die vielen inaktiven 
Offiziere, die bei ihnen wieder Verwendung fanden, taten ihr möglichstes, 
aber ihnen mangelte doch die Praxis. Ausnahmen gab es natürlich. Eine 
Armee läßt sich nicht in wenigen Wochen schaffen. Sie braucht hierzu 
langer Schulung und Tradition. Das zeigen auch die englischen Divisionen 
und die amerikanischen Truppen; auch sie haben ihre Unerschrockenheit mit 
schweren Opfern bezahlen müssen. Das XXV. R. K. hatte die Lage an 
der ostpreußischen Grenze nicht zu ändern vermocht. Jetzt stand zu er- 
warten, daß der Großfürst nicht nur mit seiner gewaltigen Überlegenheit 
aus dem Weichselbogen Deutschland und Österreich entscheidend treffen, 
sondern gleichzeitig das deutsche Land östlich der Weichsel angreifen würde, 
um auch hier die Entscheidung zu suchen und uns zum mindesten an Kräfte- 
verschiebungen zu verhindern. 
An der gesamten Ostgrenze des Königreichs Preußen mußten sich 
Kämpfe entwickeln, die in engstem Zusammenhang miteinander standen. 
Eine einheitliche und straffe Führung war Erfordernis. Schon bei meinem 
Zusammensein mit General v. Falkenhayn in Berlin war dies besprochen 
worden. Am 1. November hatte Seine Majestät den Generaloberst v. Hin- 
denburg zum Oberbefehlshaber Ost unter gleichzeitiger Enthebung von der 
Stellung als Oberbefehlshaber der 9. Armee ernannt. Diese bekam auf 
unseren Vorschlag General v. Mackensen. Ich blieb Chef bei Generaloberst 
v. Hindenburg. Die Mehrzahl meiner Mitarbeiter trat zum neuen Stabe. 
Der Befehlsbereich des Oberbefehlshabers Ost erstreckte sich nun in 
ausgesprochener Weise über die 8. und 9. Armee und die stellvertretenden 
Generalkommandos I., XX., XVII., II., V. und VI. Armeekorps in den 
Provinzen Ost= und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien mit den dort 
befindlichen Ostfestungen. 
Später trat das Korps Zastrow bei Soldau—Mlawa, das zunächst 
noch der 8. Armee unterstand, unmittelbar unter den Oberbefehlshaber Ost. 
Die Befehlsgliederung war gut. Sie erhob den Oberbefehlshaber über 
die Einzelheiten einer Armeeführung. Trotzdem erforderten es die Verhält-
	        
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