Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Zusammenziehung aller Kräfte 77 
  
Truppen und das für den Feldkrieg brauchbare Kriegsgerät heraus- 
zuholen. Wir hatten schon im August 1914 damit begonnen und haben 
im Laufe der Zeit im Osten aus Landsturm, Landwehr und sonstigen 
Festungsformationen Divisionen in einer Zahl gebildet, wie sie dem General 
v. Moltke für die Schlacht von Königgrätz zur Verfügung stand. Diese 
Divisionen erhielten später Nummern wie die aktiven Divisionen, ihren 
Charakter änderten sie dadurch aber nicht. Es waren namentlich für 
Kampf und Marsch andere Anforderungen an sie zu stellen als an die 
Verbände aus jüngeren Jahrgängen. Oft war das im Drange der Not 
nicht möglich. Diese Truppen haben mehr geleistet, als billigerweise von 
ihnen erwartet werden konnte; in der Verteidigung der Heimat und 
damit von Hab und Gut, Weib und Kind gaben sie ihr Bestes hin. 
Bei der 8. Armee an der Ostgrenze Preußens waren nach und nach 
einige Landwehr-Divisionen gebildet worden. Bei Soldau hatte sich aus 
den Kriegsbesatzungen der Weichselfestungen und aus Landsturm ein 
Grenzschutz, das zwei Divisionen starke Korps Zastrow, später XVII. R. K., 
formiert. Die Festung Thorn, deren erste Hauptreserve — die 35. Res.= 
Div. — bei Tschenstochau stand, stellte nach und nach eine neue Haupt- 
reserve auf: Korps v. Dickhuth genannt. Es fand später Verwendung auf 
dem rechten Weichselufer, Richtung Plotzk. Zunächst bildete die Haupt- 
reserve Thorns die Landsturm-Brigade v. Westernhagen, die gegen die 
Bshura vorgeschoben und bei dem Rückzug der 9. Armee auf Wlozlawek 
zurückgegangen war. 
Auch die Festung Posen hatte schon eine Hauptreserve hergegeben. 
General Graf v. Bredow hatte sie mit besonderer Auszeichnung beim 
Korps Frommel in dem Feldzuge in Polen geführt. Seine Landwehr 
hatte keine Feldküchen. Sie griff die Russen mit der Begründung an, sich 
solche zu holen — und bekam sie. Jetzt gaben Festung und Provinz 
Posen neue Kräfte her. Das Korps Posen, das um Kalisch zusammen- 
gestellt wurde, war eine sehr starke Division, die mit viel Sorgfalt ausge- 
stattet war. Der Gouverneur von Posen, General v. Koch, und sein Chef, 
Oberst Marquard, gaben sich dabei besondere Mühe. 
Das stellvertretende Generalkommando des VI. A. K. sollte im Grenz- 
schutz östlich Kempen das Korps Breslau bilden. Es bedurfte längerer 
Zeit, bis dies ausgeführt und das Korps kampfkräftig wurde. 
Major v. Bockelberg hat mich bei diesen Neuformationen hervorragend 
unterstützt. 
X. 
Je mehr ich mich in die uns bevorstehende neue Aufgabe hinein- 
dachte, je schärfer sich die Lage und die ungeheure Gefahr abzeichneten, desto
	        
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