Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Mein Denken und Handeln. 
J. 
D' Handstreich auf Lüttich eröffnete die Reihe deutscher Siege. Es war 
ein kühner Entschluß und verwegen die Ausführung. 
Die Feldzüge im Osten in den Jahren 1914 und 1915 sowie im 
Sommer 1916 waren gewaltige Leistungen, ebenbürtig den größten Taten 
der Kriegsgeschichte aller Zeiten. Sie stellten die höchsten Anforderungen 
an Führer und Truppen. Der Russe war um vieles stärker als 
die dort kämpfenden verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen 
Armeen. 
Der Krieg vollends, den der Generalfeldmarschall v. Hindenburg und 
ich vom 29. August 1916 an, dem Tage unseres Eintritts in die Oberste 
Heeresleitung, zu führen hatten, gehört zu den schwersten der Welt- 
geschichte. Gewaltigeres und Erschütternderes sah der Erdball noch nie. 
Deutschland mit schwachen Verbündeten rang in Unterlegenheit gegen die 
Welt. Entschlüsse von ungeheurer Schwere waren zu fassen. Sie ergaben 
sich mit zwingender Folgerichtigkeit aus der Kriegslage, unserer Auffassung 
vom Kriege und aus dem Wesen dieses Krieges. 
Die Heere und die Marinen bekämpften einander so, wie sie es früher 
taten, mochten Streitkräfte und Kriegsmittel auch gewaltiger sein als je 
zuvor. Anders aber als in den letzten Kriegen standen die Völker mit ihrer 
ganzen Kraft dicht aufgeschlossen hinter ihrer Wehrmacht und durchdrangen 
sie. Nur Frankreich gab 1870/71 schon ein ähnliches Bild. 
Wo die Kraft des Heeres und der Marine begann, die des Volkes 
aufhörte, war in dem jetzigen Kriege nicht mehr zu unterscheiden. Wehr- 
macht und Volk waren eins. Die Welt sah den Volkskrieg im buchstäblichen 
Sinne des Wortes. In dieser versammelten Kraft standen die mächtigen 
Staaten der Erde gegeneinander. Zum Kampf gegen die feindlichen Streit- 
kräfte auf gewaltigen Fronten und weiten Meeren gesellte sich das Ringen 
gegen die Psyche und die Lebenskraft der feindlichen Bölker mit dem Zweck, 
sie zu zersetzen und zu lähmen. 
Leicht und wenig gefahrvoll ist es, mit starken Bataillonen Krieg zu 
führen und Schlachten zu schlagen. In solche Lagen sind aber der General= 
feldmarschall und ich in den drei ersten Kriegsjahren nicht gekommen. Es 
blieb uns nichts anderes übrig, als nach Pflicht und Gewissen zu handeln. 
Kriegserinnerungen 1914—18. 1
	        
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