86 Der Feldzug in Polen Herbst 1914
batailliert“. Ich hätte gleich schärfer eingreifen sollen, wie ich es später
tat. Die Gefahr lag nahe, daß die Verluste nicht mit dem Gewinn im
Einklang ständen. Pflicht der Führung ist es, hierauf zu achten.
Auf dem nördlichen Weichselufer besetzte der Russe Plotzk und drang
bis in die Höhe von Wlozlawek vor. Die Höhen des rechten Weichselufers
östlich der Stadt, von wo aus die Bahn beherrscht wurde, konnten
wir halten. Es war hier aber eine lange Flanke der 9. Armee zwischen
der Bshuramündung und Wlozlawek entstanden. Sie bedurfte dauernder
Aufmerksamkeit. Die Weichsel fror nicht zu. Eine Gefahr für die 9. Armee
trat nicht ein.
An der Südgrenze unseres Landes östlich der Weichsel änderte sich
nichts. Die 8. Armee hielt unter dauernden spannungsvollen Kämpfen im
wesentlichen ihre Linien. Ein Einbruch der Russen in einen Teil der Ma-
surischen Seensperre hatte nur eine örtliche Bedeutung.
An allen Fronten wurde an den Stellungen eifrig gearbeitet.
Während der Operationen machte uns die Inbetriebnahme der Eisen-
bahnen, die wir kurz vorher selbst so gründlich zerstört hatten, Sorge. Wir
arbeiteten jetzt mit aller Macht an ihrer Wiederherstellung, aber es dauerte
geraume Zeit, bis der Bahnverkehr wirklich regelmäßig wurde. Die
Truppe, die überaus angestrengt war, hatte daher noch viel zu leiden. Be-
sonders bedauerlich war es, daß wir nicht vermochten, ihr die Weihnachts-
pakete rechtzeitig zuzuführen. Es war dies eine erhebliche Aufgabe für die
Bahn; damals flossen die Liebesgaben noch reichlich. Auch Beurlaubungen
konnten nicht in dem erwünschten Umfange eintreten.
Besondere Zeit nahmen die Anordnungen für die Verwaltung des
besetzten Polens in Anspruch; sie sind jetzt ohne jedes Interesse. Das Land
hatte sich nicht zu beklagen, auch wenn wir die wertvollen Kriegsrohstoffe,
wie es unsere Lage verlangte, zurückführten.
Mit Österreich-Ungarn wurde über die Neuabgrenzung der beiderseiti-
gen Etappengebiete verhandelt. Die von mir im September unter anderen
Voraussetzungen getroffenen Vereinbarungen bedurften naturgemäß der
Anderung. Leider mischten sich jetzt die Oberste Heeresleitung und Berlin,
wohl auf Anregung Österreich-Ungarns, in die Verhandlungen ein. Das
kam der Sache nicht zugute, da die betreffenden Stellen die Vorgänge nicht
kannten. Auch das ist jetzt gegenstandslos. Mein Dienst gebot mir, mich
mit einer Reihe militärpolitischer Fragen zu befassen, die mir mehr Ver-
druß als innere Befriedigung brachten.
Auf die stolze Genugtuung, die wir über die Gestaltung der Kriegs-
lage an der Ostfront empfanden, fiel ein Schatten. Die k. u. k. Armee hatte
in Serbien unglücklich gekämpft. Sie war Ende November weit in das
Land eingedrungen. Belgrad war am 2. Dezember genommen. In Öster-