Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

108 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz- und Arbeiterfragen 
  
die Möglichkeit, den Ausfall zu decken, zur Folge haben. Auch ist es zweifel- 
los, daß seitens eines großen Teils der Arbeiterführer und ihres Anhangs 
das — wohlweislich allerdings nicht öffentlich hervortretende — Streben 
herrscht, die Arbeitskraft des einzelnen zu hemmen, um das Freiwerden von 
Arbeitskräften für den Dienst im Heere und damit eine Verringerung ihres 
Einflusses auf die heimischen Massen zu verhindern. Die Arbeiterschaft selbst 
strebt aus einer Art falscher Kameradschaft heraus in die gleiche Richtung. 
Das nach außen vaterländische Verhalten der Gewerkschaften darf uns nicht 
blenden und uns nicht verwehren, hinter ihr Gesicht zu sehen. Noch ein 
weiterer Grund für die Minderung der Gesamtarbeitsleistung in der 
Rüstungsindustrie kommt hinzu: einzelne Zweige der Rüstungsindustrie 
können den Arbeitern nicht die gleich hohen Löhne oder die gleich leichten 
Arbeitsbedingungen wie andere bieten; sie leiden daher, wie jetzt z. B. die 
Motorenindustrie, an Arbeitermangel, da die Nachfrage unter den Kriegs- 
verhältnissen stets größer als das Angebot ist. 
Es gilt, diese Verhältnisse zu ändern, alle Kräfte in den ge- 
meinsamen Dienst zu stellen, die Arbeitsleistung des 
einzelnen wieder zu heben und dadurch Kräfte für das 
Heer freizubekommen. 
Unsere Lage auf diesem Gebiet ist nicht unähnlich derjenigen im 
Herbst 1916, als die militärischen Ereignisse (Sommeschlacht, Brussilow-Offen- 
sive, Eintritt Rumäniens in den Krieg) eine Erweiterung des Rüstungs- 
programms erforderten und ebenfalls Anforderungen für Ersotz und Neu- 
aufstellungen an die Heimat stellten, die mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr 
zu erfüllen waren. Damals schlug ich dem derzeitigen Reichskanzler, Herrn 
v. Bethmann Hollweg, vor, die Wehrpflicht auf alle Männer vom 15. bis 
zum 60. Lebensjahr auszudehnen und für die Frauen eine Hilfsdienstpflicht 
einzuführen. Eurer Exzellenz damaliger Amtsvorgänger lehnte zu meinem 
Bedauern diesen Vorschlag ab. Statt dessen kam das Hilfsdienstgesetz, 
welches zweifellos die dareingesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat. Trotz 
aller Bemühungen des Kriegsministeriums und des Kriegsamts, die 
schwersten Mängel dieses Gesetzes zu bannen, hat es uns weder in den Stand 
gesetzt, die männlichen Arbeitskräfte restlos zu erfassen, noch die Arbeits- 
leistung auf das höchstmögliche Maß zu steigern. Ich bin nunmehr ge- 
zwungen, auf meinen damaligen Vorschlag der Wehrpflichterweiterung 
zurückzukommen. Durch den mit dieser Maßnahme verbundenen Zwang 
werden wir folgendes erreichen: 
1. eine wirksame Kontrolle über die Gesamtheit der Arbeitskräfte, 
d. h. über ihren Verbleib und ihre zweckmäßige Ausnutzung. Durch Ein- 
führung der Hilfsdienstpflicht für Frauen würde gleichzeitig eine bessere Kon- 
trolle und Ausnutzung der weiblichen Arbeitskräfte erreicht werden.
	        
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