Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

110 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz- und Arbeiterfragen 
  
Besprechung 
über das Schreiben des Chefs des Generalstabes des Feldheeres 
vom 18. 6. 1918 — betreffend Ersatzfragen. 
Anwesend: Reichskanzler Graf v. Hertling, Exzellenzen v. Payer, 
Wallraf, Freiherr v. Stein, Graf v. Roedern, v. Stein (Kriegsminister), 
General Scheüch, Oberst v. Winterfeldt, Oberstleutnant Bauer, Graf 
Limburg-Stirum, Geheimer Regierungrat von Schlieben. 
Reichskanzler. Es handelte sich um sehr wichtige Fragen des Mann- 
schaftsersatzes, der Arbeitsleistung, Ausdehnung der Hilfsdienstpflicht usw., 
Fragen sehr wichtiger politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur; ver- 
dienten daher außerordentlich ernste Prüfung. 
Kriegsminisker würde für Vorschlag der O. H. L. eintreten, wenn er sich 
geringsten Erfolg davon verspräche. Dies nicht der Fall. Voriges Jahr seien 
100 000 Mann aus Etappen herausgeholt worden; diese jetzt ausgekämmt. 
Die Leute bis zu 60 Jahren, welche jetzt wehrpflichtig gemacht werden sollen, 
seien die einzigen, die jetzt den Betrieb in der Heimat aufrechterhielten, in 
Industrie, Landwirtschaft und Familien. Diese könne man nicht heraus- 
nehmen ohne Zusammenbruch. Wo solle man auch mit diesen Leuten hin; 
an die Front könne man sie nicht schicken. Man müsse sie dort lassen, wo sie 
jetzt sind. Ihr Herausnehmen bedeutet, ihre jetzige Tätigkeit auf viele Monate 
stilllegen. Könne sich keine Vorteile, sondern nur Nachteile von diesen Vor- 
schlägen versprechen. Es würden keine hunderttausend Soldaten damit 
herauszuholen sein"). 
Graf Roedern weist auf geschäftliche Lage hin, die nicht ohne Be- 
deutung sei, und frägt, ob O. H. L. daran denke, ihre Vorschläge schon jetzt 
bald in gesetzliche Formen zu gießen. Reichstag gehe jetzt auf drei Monate 
nach Hause, dies werde dringend gewünscht, auch von O. H. L. Wenn diese 
Sache käme, müßte sie durch Gesetz gemacht werden. Dies bedürfe eingehen- 
der Vorbereitung in den Ressorts. Es müßte deshalb Reichstag 14 Tage bis 
3 Wochen später wieder versammelt werden. Rein geschäftlich sei Sache nur 
so in Aussicht zu nehmen, daß sehr wichtige Frage Ende Juli mit O. H. L. 
in Spa erörtert und erst in nächsten Monaten so vorbereitet werde, daß sie 
erst im Herbst an Reichstag komme. In Scache selbst könne er nicht be- 
urteilen, wie weit noch Ersatz herausgeholt werden könne. Beschränke sich 
daher auf Frage der Kostenersparnis. Diese noch nicht spruchreif, aber auch 
noch nicht völlig von der Hand zu weisen. Dauere Krieg im Herbst noch 
lange, so sei zu fragen, ob man auf der jetzigen Art der Kriegsfinanzierung 
fortschreiten wolle, die auf einer Seite zu völliger Verarmung, auf der 
andern zur Ansammlung enormer Vermögen bei den verschiedenen Klassen 
*) Diese ablehnende Haltung des Kriegsministers hatte zur Folge, daß auch alle 
anderen Ressorts mit Bedenken kamen. Tatsächliches konnte so nicht erreicht werden. 
Der Verfasser.
	        
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