122 II. Hilfsdienstgesetz, Ersatz= und Arbeiterfragen
Zusagen halten. Ebert mußte orientiert werden, um an Lange heran-
zukommen und um sich über Lange selbst in bezug auf seine Persönlichkeit
zu unterrichten. Mit der Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung habe
ich die Ehre zu sein Euer Hochwohlgeboren gehorsamster Keim
Herrn Major Keim ergebenst:
Nachstehend gestatte ich mir, Ihnen einen Bericht über meine Unter-
redung mit dem Landtagsabgeordneten Lange aus Leipzig, der heute früh
auf Grund meiner Einladung an ihn bei mir erschien, zu erstatten. Herr
Lange erklärte:
Die Exzellenz Ludendorff zugeschriebene Außerung, der deutsche
Arbeiter sei zu einem Generalstreik zu feige, klinge wohl in der Form
etwas zu schroff. Dem Sinne nach soll Exzellenz Ludendorff erklärt haben,
die deutschen Arbeiter hätten nicht den Mut zu streiken. Das Gerücht, daß
eine solche Außerung von Exzellenz Ludendorff gefallen sei, wurde aber in
den Tagen vor dem Streik und während des Streikes in Leipzig, Chemnitz
und Dresden von Mund zu Mund unter der Arbeiterschaft verbreitet. In
der Presse oder in Flugblättern ist die Außerung nicht kolportiert worden.
Herr Lange erklärte jedoch, daß er selbst von Leipziger Arbeitern diese
Außerung gehört habe und daß ihm aus Dresden und Chemnitz mitgeteilt
worden sei, auch dort habe die Außerung in den Streiktagen und in den
Tagen vor dem Streik bei den Unterredungen der Arbeiter untereinander
eine Rolle gespielt. Dabei sei ein Zusammenhang zwischen den Ernährungs-
verhältnissen in Sachsen, die bekanntlich nicht die besten sind, in der Weise
hergestellt worden, daß gesagt worden sei: Die schlechte Versorgung
Sachsens beruht nicht nur in dem Charakter des Landes als Zuschußland,
sondern auch darauf, daß die sächsischen Arbeiter in ihrer sprichwörtlichen
Gutmütigkeit sich mehr gefallen lassen als die Arbeiter in Bayern und in
Preußen. Wie diese Gutmütigkeit auch von sehr berufenen Stellen ein-
geschätzt würde, das sei dann illustriert worden durch die angebliche
Außerung von Exzellenz Ludendorff.
Woher das Gerücht seinen Ursprung genommen hat, ist Herrn Land-
tagsabgeordneten Lange nicht bekannt. Auch seine Bemühungen, den
Ursprung des Gerüchtes zu erfahren, blieben ergebnislos. Das Gerücht
war einfach da und wurde von Mund zu Mund unter den Arbeitern ver-
breitet. In Berlin scheint, wie ich hinzufügen will, die angebliche
Außerung keine Rolle gespielt zu haben. Jedenfalls war sie dem Abge-
ordneten Ebert, mit dem ich mich vor einigen Tagen über die Angelegenheit
unterhielt, nicht bekannt. Das letztere würde aber der Fall gewesen sein,
wenn auch in Berlin das Gerücht eine nennenswerte Rolle gespielt hätte.