Schriftwechsel mit Professor Dr. Kraft-Dresden 123
Dem Landtagsabgeordneten Lange wird allerseits ein sehr gutes
Leumundszeugnis ausgestellt. Er ist ein objektiver, auf dem Standpunkt
der Mehrheit der sozialdemokratischen Partei stehender Mann, der
keinerlei Sympathien irgenwelcher Art für die Unabhängigen besitzt und
den Streik durchaus verurteilt. Ihm ist unbedingt Glauben zu schenken,
wenn er erklärt, daß er dem Professor Kraft gegenüber die Mitteilung nur
gemacht habe, weil er sie, die Wahrheit der Exzellenz Ludendorff zu-
geschriebenen Außerung vorausgesetzt, für bedenklich gehalten habe. Meine
Mitteilungen über die Stellungnahme von Exzellenz Ludendorff zu
Arbeiterfragen, hat ihn vollkommen davon überzeugt, daß die Außerung
gar nicht gefallen sein kann, und er erklärte, daß er im Kreise seiner säch-
sischen Parteigenossen vertraulich Kenntnis geben werde von der Unter-
redung, die er mit mir hatte, und daß er tun werde, was in seinen Kräften
stehe, um dem Gerücht entgegenzuwirken. Meiner Ansicht nach könnte
man es vorläufig hierbei bewenden lassen. Ich habe den Eindruck, als
wenn es sich hier um eine der vielen Kriegslügen handle, die aber doch
wohl kaum sehr weit verbreitet ist, sonst müßte sie auch in anderen Gegenden
Deutschlands aufgetaucht sein, und dafür liegen ja Anhaltspunkte bisher
noch nicht vor. Deshalb rate ich von einer Richtigstellung in der Presse
oder in einer sonst öffentlichen Form ab"). Das hieße der Sache eine
Bedeutung beimessen, die ihr anscheinend nicht zukommt. Außerdem
werden Richtigstellungen in der Presse von einem großen Teil des
Publikums als eine Bestätigung aufgefaßt. Im vorliegenden Falle könnte
eine öffentliche Richtigstellung leicht zur Folge haben, daß auch in Ge-
genden mit der angeblichen AUußerung von Exzellenz Ludendorff operiert
wird, in welche diese Außerung bisher noch nicht gedrungen ist. Erwägens-
wert scheint mir die Frage zu sein, ob man zur persönlichen Information
der Pressevertreter in der Berliner Pressekonferenz mitteilen will, daß in
Sachsen die Außerung kolportiert worden sei, daß sie aber selbstverständlich
nicht auf Wahrheit beruhe. Ich persönlich halte auch das für überflüssig,
stelle aber anheim, ob man diesen Weg gehen will. Müller
Der Erste Generalquartiermeister. Gr. H. Qu., den 14. 3. 1918.
Herrn Professor Dr. Kraft.
Sehr geehrter Herr Professor! Für Ihre freundlichen Zeilen vom
6. des Monats danke ich Ihnen ergebenst. Ich habe den Herrn Abge-
ordneten Lange durch den Unterstaatssekretär Dr. Müller über die Ange-
legenheit befragen lassen. Nach der mir gewordenen Auskunft ist das in
*) Ich bedauere, daß ich auf diesen Vorschlag eingegangen bin. Der Verfasser.