Ergebnis einer kommissarischen Besprechung in Berlin 129
Dagegen werden in der verarbeitenden Industrie vor allem Arbeiterinnen
gebraucht und nur wenige männliche Facharbeiter.
Männliche Arbeiter sind aus dem Inland nur sehr wenig zu be—
kommen, so daß der Mehrbedarf an ihnen aus den in den besetzten Ge—
bieten vorhandenen Arbeitern und den Kriegsgefangenen gedeckt werden
muß. Arbeiterinnen stehen dagegen noch in größerer Menge zur Ver-
fügung. Ihre Heranziehung wird sich allerdings nur ermöglichen lassen,
wenn ihnen ein gewisser Schutz und bestimmte Erleichterungen gewährt
werden. Es empfiehlt sich daher, für die Arbeiterinnen grundsätzlich die
achtstündige Arbeitsschicht beizubehalten und nur in besonderen Fällen
Ausnahmen zuzulassen. Da die Betriebe aber auch in der Nacht arbeiten
müssen, um ihre Maschinen auszunützen, erscheint es anderseits geboten,
auch den Arbeiterinnen die Nachtarbeit zu gestatten. Es sollen daher in
denselben Werken zwölfstündige Schichten für männliche und achtstündige
Schichten für weibliche Arbeiter nebeneinander eingerichtet werden.
Die Einführung eines gesetzlichen Arbeitszwanges sowohl für männ-
liche als auch weibliche Personen erscheint nicht angezeigt. Denn einmal
sind die Schwierigkeiten, die bei dem verschiedenen Stande der Bildung
und Lebensstellung des einzelnen der praktischen Durchführung entgegen-
stehen würden, nicht überwindbar. Dann aber steht auch ein der Schärfe
des Eingriffs entsprechender Erfolg nicht zu erwarten, da männliche Per-
sonen, die irgendwie arbeitsfähig sind, bereits jetzt schon mit wenigen Aus-
nahmen in Betrieben tätig sind, die unmittelbar oder mittelbar Kriegs-
zwecken dienen, weibliche Arbeitskräfte aber noch in genügender Anzahl
angeboten sind.
III. Verhinderung des Abwanderns von Arbeitern aus der Kriegs-
industrie.
Um das Abwandern der Arbeiter aus mit Kriegslieferungen beschäf-
tigten Betrieben zu verhindern, empfiehlt sich nicht eine Abänderung des
Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867 durch Gesetz oder durch
Bundesratsverordnung. Ein Gesetz dieser Art würde im Reichstag kaum
durchzubringen"), eine Bundesratsverordnung scharfer Kritik seitens des
Reichstags ausgesetzt sein. Eher erscheint der Weg gangbar, daß die stell-
vertretenden Generalkommandos der Korpsbezirke, in denen ein Bedürfnis
besteht, auf Grund des § Hb des Belagerungszustandsgesetzes vom 4. Juni
1851 das eigenmächtige Verlassen der Arbeitsstellen verbieten, wie dies für
gewerbliche Arbeiter vom stellvertretenden Generalkommando des II. Ar-
meekorps durch Verordnung vom 9. Juni 1915, für landwirtschaftliche
Arbeiter durch Verordnungen der stellvertretenden Generalkommandos des
I., II., IV., XVII. und XX. Armeekorps sowie der drei bayerischen Armee-
*) Trotz aller anerkannten Schäden! Der Verfasser.
Urkunden der Obersten Heeresleltung 1916—1918. 9