138 III. Finanzfragen, Löhne und Kriegsgewinne
2.
Chef des Generalstabes des Feldheeres. Gr. H. Qu., den 15. 6. 1917.
II Nr. 57722 op.
An den Reichskanzler.
Der Herr Reichsschatzsekretär hat mir einen Abdruck seines Berichts
an Euer Exzellenz, betr. die Finanzlage des Reiches, vom 21. 5. 1917 über-
geben.
Ich ersehe daraus vor allem, daß die monatlichen Kriegskosten
dauernd gestiegen sind, und zwar in wesentlich höherem Umfange,
als es der an sich geringeren Steigerung der Rüstungsindustrie und anderer
Dinge entspricht. Der Grund zu dem unheimlichen Wachsen der Kriegs-
kosten liegt nicht unwesentlich in der ungeheuren Zunahme der Arbeiter-
löhne, die teils unmittelbar, teils mittelbar (durch Verteuerung aller Ar-
beitsprodukte) den Staatssäckel mehr und mehr belasten. Die erhöhten
Löhne haben ihrerseits auch wieder auf die Preise für alle Gebrauchsgegen-
stände des täglichen Lebens preissteigernd gewirkt.
Diese Erscheinung ist in hohem Maße bedenklich, aber leider zum
größten Teil selbst verschuldet. Wie ich seinerzeit in meinem Schreiben
vom 23. 10. 1916 II Nr. 37 768 op. hingewiesen habe, hielt ich es damals
für geboten, die allgemeine Wehrpflicht hinsichtlich körperlicher Anforde-
rungen, Altersgrenzen usw. auszudehnen und auch die Arbeit für die
Rüstungsindustrie als Erfüllung der Wehrpflicht anzusehen. Wir wären
dann imstande gewesen, Arbeitslöhne wie die Lebensmittelpreise zu regu-
lieren, hätten dadurch die Kriegskosten niedriger gehalten und gleichzeitig
die schreiende Ungerechtigkeit vermieden, daß der kriegsbrauchbare Mann
im Felde für geringes Geld sein Leben aufs Spiel setzt, der daheim-
gebliebene in Sicherheit Löhne bezieht, die zum Teil höher sind als die
eines Regierungsrats oder Stabsoffiziers. Das an Stelle meines ersten
Vorschlages entstandene „Hilfsdienstgesetz“ fordert in seiner jetzigen Form
den Lohnkampf geradezu heraus. Von der in § 1 dieses Gesetzes ge-
nannten „Pflicht“ ist kaum noch die Rede, die Rechte stehen bei weitem im
Vordergrund. Ich brauche nicht zu bemerken, daß weitestgehende Arbeiter-
fürsorge und soziale Besserung auch mir sehr am Herzen liegen. Ich be-
dauere lebhaft, daß die Lebensmittelversorgung unserer Arbeiter früher
stellenweise stark versagt hat. Das Hilfsdienstgesetz ist aber in seiner
jetzigen Form geradezu bedenklich für das finanzielle Durchhalten des
Staates, abgesehen von seinen üblen Nebenerscheinungen, als Demoralisie-
rung, namentlich der Jugendlichen und Frauen, Zerstörung des Mittel-
standes und völliger Verwirrung des Begriffs von Pflicht und Recht.
Ich halte es, da das finanzielle Durchhalten auf die Gestaltung unserer