Schreiben des Ministers des Innern vom 28. Juni 1918 153
9.
Minister des Innern. Berlin, den 28. 6. 1918.
IId Nr. 1460.
Eigenhändigl An den Kriegsminister.
Nachrichten, die dem hiesigen Polizeipräsidenten auf vertrau-
lichem Wege zugegangen sind, besagen, daß die beabsichtigte Herab-
setzung der Löhne im Rüstungsgewerbe unter den Arbeitern Gewitter-
stimmung erzeugt habe und daß diese Herabsetzung geeignet sei, die Zurück-
haltung, die von der Arbeiterschaft bisher trotz der Verkürzung der Brot-
menge, der Lebensmittelteuerung und der Verzögerung der Entscheidung
in der Wahlrechtsfrage gezeitigt sei, zu vernichten. Die Verkürzung der
Löhne sei ein geeigneter Werbestoff für alle, die im Trüben fischen wollen,
und es sei deshalb die Gefahr vorhanden, daß es bei Durchführung einer
solchen Kürzung über den Kopf der Partei= und Gewerkschaftsleitungen
hinweg zu Unruhen und Ausständen kommen könne, zumal von Österreich
aus äußerlich ein Anstoß dazu gegeben werde.
Die Beurteilung der Lage muß ich als zutreffend bezeichnen. Ohne
mich über die Berechtigung und Notwendigkeit einer Lohnverkürzung bei
der Heeresindustrie an sich auszusprechen, müßte ich die Durchführung
einer etwa geplanten Lohnherabsetzung unter den gegenwärtig aufs
äußerste gespannten Verhältnissen als eine höchst gefährliche Maßnahme
ansehen, die geeignet wäre, die Stimmung der arbeitenden Bevölkerung
aufs ungünstigste zu beeinflussen. Um den zu befürchtenden nachteiligen
Wirkungen vorzubeugen, erscheint es mir daher dringend geboten, daß von
den beteiligten Stellen einer Verwirklichung der etwa in dieser Beziehung
bestehenden Absichten in der nächsten Zeit mit allem Nachdruck entgegen-
gewirkt wird.
Einer geneigten Mitteilung über die dortige Stellungnahme darf ich
ergebenst entgegensehen.
Dem Herrn Reichskanzler (Reichskanzlei) und dem Herrn Chef des
Generalstabes des Feldheeres habe ich Abschrift dieses Schreibens
übersandt.
Chef des Generalstabes des Feldheeres. Gr. H. Qu., den 2. 7. 1918.
II Nr. 9048 geh. op.
Zum Schreiben vom 28. 6. 18 IId Nr. 1460.
An den Minister des Junern.
Euer Exzellenz darf ich auf das vorangezogene Schreiben ergebenst
folgendes erwidern: