Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Denkschrift über Bevölkerungspolitik 227 
  
bei den künstlichen Unterbrechungen der Schwangerschaft zur Pflicht 
gemacht. 
10. Die rein pekuniären Gründe für die Beschränkung der 
Kinderzahl („Zweikindersystem“, „Neo-Malthusianismus"“) haben sich, was 
den sogenannten „Nahrungsmittelspielraum“ und die Erwerbsmöglichkeiten 
Deutschlands anbetrifft, nicht als stichhaltig erwiesen. Der wirtschaftliche 
Aufschwung gab allen eingeborenen Kräften Gelegenheit zu auskömmlichem 
Leben und überschießendem Verdienst; er beanspruchte sogar noch die Ein- 
stellung ausländischer Arbeiter. Nach dem Kriege wird der Mangel an 
Arbeitskräften noch stärker werden. 
Im Gegenteil! Vielfach geht gerade mit dem „sozialen Aufstieg“ und 
der Erzielung höheren Einkommens die Abnahme der Kinderzahl Hand in 
Hand; also tragen die gesteigerten Lebensansprüche der 
Eltern — für sich, wie für ihre Nachkommen — und die materia- 
listische Weltanschauung die Hauptschuld an diesem „Kultur- 
übel“. 
11. Einen gewissen Zwang zum Zuweikindersystem üben die 
Wohnungsverhältnisse aus, besonders der Städte und namentlich 
der Großstädte. Die vermehrten Erwerbsgelegenheiten in städtischen Be- 
trieben (Industrie), städtische Vergnügungen führten zur Landflucht und zur 
Bodenpreissteigerung und engen Bebauung des Stadtgebietes. Die 
Wohnungen werden immer teurer, enger, zugleich unhygienischer; sie 
fördern die Kinderarmut, die Kindersterblichkeit, die Tuberkulose, 
Rhachitis und die Unsittlichkeit, den Alkoholismus, die Kriminalität. Daher 
tut nur schon aus diesem Grunde eine Wohnungsreform not, sie 
muß sich erstrecken auf: 
12. Abwanderung von der Stadt auf das Land durch Ent- 
lastung der Städte von weiteren industriellen Anlagen, Schaffung von 
Arbeiterkleinsiedlungen mit eigener Scholle auf dem Lande. 
Erweiterung des Fabrikarbeiterschutzes bis zum 18. Jahre. Innere 
Kolonisation. 
Schaffung von neuem Siedlungsland (Gebietserweiterungen durch 
den Krieg). 
Landverteilung an kleinbäuerliche Kriegsteilnehmer, Bauern, Gärtner, 
Handwerker, Arbeiter, die landwirtschaftlich bewandert sind, und aus deren 
Familien der Staat den körperlich besten und zahlreichsten Nachwuchs 
bezieht. 
Übernahme der ländlichen Schul- und Wegelasten auf den Staat oder 
größere Verbände. 
Veränderung in der Verteilung der Ortsarmenlasten. 
15°
	        
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