262 XI. Bevölkerungspolitik und Fürsorge für Kriegsteilnehmer
nur fruchtbringend sein können, wenn eine Wiederbelebung der Bau-
tätigkeit durch Bauzuschüsse und Bereitstellung von Baustoffen überhaupt
praktisch ausführbar ist. Dessen ungeachtet besteht selbstverständlich bei der
Reichsleitung das ernsthafte Bestreben, auch durch geeignete gesetzgeberische
Maßnahmen die Wege für eine großzügige Wohnungs= und Bevölkerungs-
politik rechtzeitig zu ebnen. Dabei ist jedoch im Auge zu behalten, daß die
durch die eifrige Werbetätigkeit der Bodenreformer geweckten Vorstellungen
teilweise weit über die Grenze des Möglichen hinausgehen.
Ich weise zunächst darauf hin, daß bereits das sogenannte Kapital-
abfindungsgesetz die Ansiedlung von Kriegsbeschädigten durch einmalige
Kapitalabfindung an Stelle der jährlich wiederkehrenden Renten erleichtert,
und daß auch die Mittel des Wohnungsfürsorgefonds des Reichs-
wirtschaftsamts nunmehr der Ansiedlung von Kriegsbeschädigten dienstbar
gemacht werden können.
Zu dem tatsächlich Erreichbaren gehört ferner die weitere Ausge-
staltung des durch das Bürgerliche Gesetzbuch nur nebensächlich behandelten
Erbbaurechts. In dieser Beziehung liegt bereits ein im Reichswirtschafts-
amt ausgearbeiteter — im Reichsanzeiger vom 3. 5. 1918 veröffentlichter —
Entwurf eines Reichsgesetzes über das Erbbaurecht vor, der im allgemeinen
die Billigung der Sachverständigen gefunden hat und demnächst den gesetz-
gebenden Körperschaften vorgelegt werden soll. Damit wird die Möglichkeit
einer ausgedehnten Ansiedlung auf staatlichem und kommunalem Boden
geschaffen, ohne daß der Bodenspekulation Tür und Tor geöffnet zu werden
braucht.
Die von den Bodenreformern veröffentlichten und neuerdings auch
im Wohnungsausschuß des Reichstags eingebrachten Vorschläge für ein
Reichsheimstättengesetz und für ein Kriegerheimstättengesetz werden von
der Reichsleitung schon seit längerer Zeit geprüft. Über die sogenannten
Kriegerheimstätten sind durch die Werbetätigkeit der Bodenreformer falsche
Vorstellungen in die Reihen der Krieger hineingetragen. Wenn die Krieger
die Vorschläge der Bodenreformer mit Begeisterung aufnehmen, so tun
sie das in dem Bestreben, ein kleines Besitztum zu erwerben; sie tun es
aber nicht in dem Wunsche, ein so stark gebundenes Eigentum zu erhalten,
wie es die Bodenreformer durchzusetzen versuchen. Der Inhalt des so-
genannten Kriegerheimstättengesetzes wird von den breiten Volksmassen
gar nicht verstanden. Belastet man die Kriegerheimstätten mit so weit-
gehenden Bindungen, wie es die Bodenreformer wollen, so müßte man
diese Heimstätten noch über die schon ohnehin erforderlichen Bauzuschüsse
hinaus mit besonderen finanziellen Vorteilen auf Reichskosten ausstatten,
um sie überhaupt gegenüber dem freien Eigentum erstrebenswert zu ge-
stalten. Zu einer solchen weitergehenden Finanzierung der Kriegerheim-
stätten fehlt aber die finanzielle Möglichkeit. Die von den Bodenreformern