Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Reichstagsreden des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg 297 
  
  
zum zweiten Male seine Heere an der ungeschützten Grenze Ost= und West- 
preußens aufmarschieren lassen, nicht noch einmal mit französischem Gelde 
das Weichselland als Einfallstor in das ungeschützte Deutschland einrichten.“ 
Aus: „Die Schuld an der Wiederherstellung Polens“ von Professor 
Dr. Dietrich Schäfer. Flugblatt aus „Deutschlands Erneuerung", Monats- 
schrift für das deutsche Volk. J. F. Lehmanns Verlag, München. 
In fast unmittelbarem Anschluß an die gemeinsame Eroberung Polens 
(Iwangorod ist am 4. 8. 1915 von den Österreichern, Warschau am 5. von 
den Deutschen besetzt worden) ist Österreich-Ungarn an die deutsche Re- 
gierung mit dem Verlangen herangetreten, daß das sogenannte Kongreß- 
polen an die habsburgische Monarchie angeschlossen werden möchte. Burian 
hat schon im August solchen Anspruch angemeldet, Graf Andrassy ihn dann 
publizistisch vertreten. 
Unmittelbar nach den kriegerischen Erfolgen im August und Sep- 
tember 1915 hat der Geheime Regierungsrat Professor Dr. Sering von der 
Berliner Universität die eben besetzten Gebiete im Auftrage der Regierung 
bereist. Er hatte eine Studienreise von jungen Volkswirten geleitet, die 
unlängst vor dem Kriege nach Rußland unternommen worden war, und 
wird daher wohl als Kenner der östlichen Verhältnisse angesehen worden 
sein. Der Bericht über seine Erkundungsfahrt ist Ende September 1915 
niedergeschrieben. Professor Sering ist dann mit dem Reichskanzler und 
dem Generalgouverneur in Warschau, Exzellenz v. Beseler, in Verbindung 
geblieben. Aus dem Juli 1916 stammt eine von ihm verfaßte Denkschrift, 
welche die Zukunft Polens im Anschluß an Deutschland zu zeichnen versucht. 
Sie beschäftigt sich so gut wie ausschließlich mit der wirtschaftlichen Lage 
des Landes, sucht darzulegen, daß die wirtschaftliche Lösung von Rußland 
nicht so schwierig sei, wie man in der Regel annehme, daß eine Zolleinigung 
mit Deutschland Vorteile biete, die geeignet seien, den Verlust zu ersetzen. 
Jedenfalls sei für Polens Wirtschaftsleben ein Anschluß an Deutschland 
sehr viel vorteilhafter als ein solcher an Österreich-Ungarn. Uner-= 
läßliche Vorbedingung des Gedeihens aber sei, daß 
Polen ostwärts über die ihm von Rußland gesteckten 
Grenzen hinaus einen starken Zuwachs durch die 
weniger bewohnten und entwickelten weißrussischen 
und ukrainischen Gebiete erfahre. Die Denkschrift verlangt 
zwar militärische Sicherung Ost= und Westpreußens durch Verlegung der 
Grenze an die Narew-Linie, vertritt aber die Ansicht, daß Polen möglichst 
stark sein müsse, um eine wirksame Deckung gegen Rußland darstellen zu 
können: „Deutschland braucht zum Schutz gegen Rußland einen östlichen 
Nachbar, dessen bedeutende Wehrkraft sich mit der
	        
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