üÜber unser Friedensangebot 309
Friedensangebot, dessen Voraussetzung, wie bemerkt, für uns eine gute,
für unsere Feinde eine in absehbarer Zeit nicht erfolgversprechende mili—
tärische Lage ist, jedenfalls von Frankreich nur sehr schwer abgelehnt
werden könnte.
Präsident Wilson hat vertraulich den Grafen Bernstorff wissen lassen,
daß er in der Zeit zwischen jetzt und Neujahr einen Friedensappell zu
erlassen gedenke. Ob er seine Absicht wirklich ausführt, bleibt völlig un-
gewiß. Er ist unentschlossen und scheut ängstlich eine Zurückweisung. Wir
müssen damit rechnen, daß er den Appell nur erläßt, wenn er dessen strikte
Ablehnung durch die Entente nicht zu erwarten braucht, das heißt, wenn
sich die Entente in einer Verfassung befindet, die die strikte Ablehnung
auch eines von uns ausgehenden Friedensangebots nicht wahrschein-
lich macht.
Ich lasse dahingestellt, ob unsere Lage bei Friedensverhandlungen, die
auf einen Appell von Wilson eröffnet werden, günstiger ist, als wenn
die Verhandlungen die Folge eines von uns gemachten Angebots sind.
Zweifellos aber ist unsere Situation eine bessere, wenn die Ablehnung
aller Verhandlungen durch die Entente einen Appell Wilsons, als wenn
sie ein Angebot von uns trifft.
Deshalb wird die Unpopularität, der ein Wilsonscher Appell in weiten
Kreisen bei uns begegnen wird, für unsere Entschlüsse nicht maßgebend
sein dürfen. Auf der anderen Seite werden wir bei der Unsicherheit, die
über den Entschlüssen Wilsons bis zum letzten Augenblick schweben wird,
und bei der mit dem Fortschreiten des Winters abnehmenden etwaigen
Geneigtheit unserer Feinde, auf Friedensverhandlungen einzugehen, den
psychologischen Moment für ein eigenes Friedensangebot über der Hoffnung
auf einen Appell Wilsons nicht ungenützt vorübergehen lassen dürfen.
E. E. beehre ich mich, um geneigte Stellungnahme, insonderheit um
eine Außerung darüber zu bitten, wie sich nach menschlicher Voraussicht
die militärische Lage weiter entwickeln wird. Der Entschluß, unsere
Friedensaktion vorzunehmen, müßte wegen der notwendigen Verständi-
gung mit unseren Verbündeten und der vertraulichen Information des
Bundesrats, der politischen Parteiführer und der Presse immerhin 4 oder
5 Tage vor ihrer Ausführung gefaßt werden.
gez. Bethmann Hollweg.
Vermerk: „S. E. hat 6. 12. abds., nach Einnahme von Buvarest,
Beantwortung noch abgelehnt, will 8. 12. mit Kanzler persönlich in Pleß
sprechen.“ B