Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

  
  
314 XVI. Über den U-Bootkrieg, das Friedensangebot und die Stellung Wilsons 
  
zu sehen. Jeder glaubt der Bildung weiterer gegnerischer Vereinigungen, die unter 
wachsendem Argwohn ein unsicheres Gleichgewicht der Mächte herbeiführen würde, 
mit Mißtrauen entgegensehen zu sollen. Aber jeder ist bereit, die Bildung einer Liga 
von Nationen in Erwägung zu ziehen, die Frieden und Gerechtigkeit in der ganzen 
Welt gewährleistet. Ehe jedoch dieser letzte Schritt getan werden kann, hält jede Partei 
es für notwendig, zunächst die mit dem gegenwärtigen Krieg verknüpften Fragen unter 
Bedingungen zu lösen, die die Unabhängigkeit und die Unversehrtheit des Gebiets 
sowie die politische und wirtschaftliche Freiheit der am Kriege beteiligten Nationen 
sicher verbürgen. 
Volk und Regierung der Vereinigten Staaten haben an den Maßnahmen, die in 
Zukunft den Frieden der Welt sicherstellen sollen, ein ebenso dringendes und unmittel- 
bares Interesse wie die jetzt im Kriege befindlichen Regierungen. Auch ihr Interesse 
an den Maßnahmen, die ergriffen werden sollen, um die kleineren und schwächeren 
Völker der Welt vor der Gefahr des Rechtsbruchs und der Vergewaltigung zu schützen, 
ist ebenso lebhaft und brennend wie das irgendeines anderen Volkes oder einer 
anderen Regierung. Das amerikanische Volk und seine Regierung sind bereit, ja sie 
sehnen sich danach, nach der Beendigung des Krieges mit jedem ihnen zu Gebot stehenden 
Einfluß und Machtmittel zur Erreichung dieses Zieles mitzuwirken. Aber der Krieg 
muß erst beendet sein. Sie müssen es sich versagen, Bedingungen vorzuschlagen, auf 
Grund deren der Krieg beendigt werden soll; aber der Präsident empfindet es als sein 
Recht und seine Pflicht, auf das Interesse der Vereinigten Staaten an der Beendigung 
des Krieges hinzuweisen, damit es nicht einst zu spät ist, die großen Ziele, die sich 
nach der Beendigung des Krieges auftun, zu erreichen, damit die Lage der neutralen 
Staaten, die jetzt schon äußerst schwer zu ertragen ist, nicht ganz unerträglich wird, 
und damit vor allem nicht die Ziovilisation einen niemals zu büßenden oder gut- 
zumachenden Schaden erleidet. 
Der Präsident fühlt sich daher durchaus berechtigt, eine alsbaldige Gelegenheit 
zum Meinungsaustausch über die Bedingungen anzuregen, die den allgemein ersehnten 
schlieblichen Vereinbarungen für den Weltfrieden vorausgehen müssen, bei denen in 
voll verantwortlicher Weise mitzuwirken die neutralen Staaten ebenso wie die Krieg- 
führenden bereit sind. Wenn der Kampf bis zum unabsehbaren Ende durch langsame 
Aufreibung fortdauern soll, bis die eine oder andere Gruppe der Kriegführenden 
erschöpft ist“), wenn Millionen und aber Millionen Menschen weiter geopfert werden 
sollen, bis auf der einen oder anderen Seite nichts mehr zu opfern ist, wenn eine 
Erbitterung angefacht werden soll, die niemals abkühlen, und eine Verzweiflung erzeugt 
wird, von der sich niemand erholen kann, dann werden die Hoffnungen auf den Frieden 
und ein freiwilliges Zusammenarbeiten freier Völker eitel und müßig. 
Das Leben der ganzen Welt ist tief in Mitleidenschaft gezogen. Jeder Teil der 
großen Familie der Menschheit hat die Last und die Schrecken dieses noch nie da- 
gewesenen Waffenganges gespürt. Keine Nation in der ziollisierten Welt kann tat- 
sächlich als außerhalb seines Einflusses stehend oder gegen seine störenden Wirkungen 
gesichert betrachtet werden. Und doch sind die konkreten Ziele, für die der Kampf geführt 
wird, niemals bestimmt aufgestellt worden. 
Die Führer der verschiedenen kriegführenden Mächte haben, wie gesagt, diese 
Ziele in allgemeinen Wendungen aufgestellt. Aber in allgemeinen Ausdrücken gehalten, 
scheinen sie die gleichen auf beiden Seiten. Bisher haben die verantwortlichen Wort- 
führer auf beiden Seiten niemals die genauen Ziele angegeben, deren Erreichung sie 
und ihre Völker so zufriedenstellen würden, daß der Krieg dann auch wirklich zu Ende 
gefochten wäre. Der Welt steht es frei, zu mutmaßen, welche endgültigen Ergebnisse, 
welcher tatsächliche Austausch von Bürgschaften, welche politischen und territorialen 
Veränderungen oder Wiederanpassungen, ja selbst welches Stadium des militärischen 
Erfolges den Krieg zu Ende bringen würden. 
*) Die Vereinigten Staaten schnitten am besten ab, wenn es keinen Sieger und 
Besiegten gab und sie nicht zum Eintritt in den Krieg veranlaßt wurden. Der Verfasser.
	        
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