Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

338 XI. Über den U-Bootkrieg, das Friedensangebot und die Stellung Wilsons 
  
  
für uns, soweit unsere Teilnahme an den Bürgschaften eines zukünftigen Friedens in 
Frage kommt, einen großen Unterschied ausmacht, auf welchem Wege und auf Grund 
welcher Bedingungen der Krieg beendigt wird. Die Verträge und Vereinbarungen, die 
ihn beendigen, müssen Bestimmungen enthalten, durch die ein Friede geschaffen wird, 
der wert ist, verbürgt und gewahrt zu werden, ein Friede, der die Zustimmung der 
ganzen Menschheit findet und nicht bloß den verschiedenen Interessen und unmittelbaren 
Zielen der im Kriege befindlichen Völker dient. Wir haben keine Stimme bei der Ent- 
scheidung darüber, welches diese Bestimmungen sein sollen, aber sicherlich haben wir eine 
Stimme bei der Beschlußfassung darüber, ob sie durch die Bürgschaften eines Welt- 
vertrages Dauer erhalten sollen oder nicht. Und unser Urteil darüber, was die grund- 
legenden und wesentlichen Vorbedingungen der Dauer sein sollen, muß jetzt ausge- 
sprochen werden, nicht später, wenn es zu spät sein könnte. 
Kein Gesamtfriedensvertrag, der die Völker der neuen Welt nicht mit einbezieht, 
kann genügen, um die Zukunft gegen den Krieg zu sichern. Und doch gibt es nur eine 
Art von Frieden, die die Völker Amerikas mitverbürgen können. Die Elemente eines 
solchen Friedens müssen das Vertrauen der amerikanischen Regierung finden, ihren 
Grundsätzen genugtun und sich mit dem politischen Glaubensbekenntnis und den prak- 
tischen Überzeugungen vertragen, für die sich die Völker Amerikas seit jeher ein- 
gesetzt haben. 
Ich will nicht sagen, daß irgendeine amerikanische Regierung irgendwelchen 
Friedensbedingungen der kriegführenden Mächte Widerstand leisten oder versuchen 
wird, sie zu beseitigen, wie sie auch beschaffen sein mögen. Ich halte es nur für sicher, 
daß ein einfacher Friedensschluß zwischen den Kriegführenden nicht einmal diese selbst 
befriedigen würde. Es ist denkbar, daß solche Friedensvereinbarungen den Frieden 
nicht sichern, es wird durchaus nötig sein, daß als Bürge für die Dauerhaftigkeit der 
Vereinbarung eine Macht geschaffen wird, so viel stärker als die irgendeines jetzt Krieg- 
führenden oder bis jetzt geschlossenen Bündnisses, daß keine Nation und keine wahr- 
scheinliche Verbindung von Nationen ihr entgegentreten oder widerstehen könnte. Wenn 
der bevorstehende Friede dauerhaft sein soll, muß er durch die organisierte Macht- 
mehrheit gesichert sein. 
Die Bedingungen des unmittelbaren Friedensschlusses werden darüber entschei- 
den, ob ein Friede erzielt wird, für den so eine Bürgschaft geleistet werden kann. Die 
Frage, von der der ganze künftige Friede und die Politik der Welt abhängt, ist die 
folgende: Ist der gegenwärtige Krieg ein Kampf um einen gerechten und sicheren 
Frieden oder nur ein Kampf um ein neues Mächtegleichgewicht? Ist er nur dies, wer 
will, wer kann die dauernde Gleichgewichtslage der neuen Vereinbarungen verbürgen? 
Nur ein in sich beruhigtes Europa kann Bestand haben. Es darf nicht ein Gleichgewicht 
der Mächte, es muß eine Gesellschaft der Mächte entstehen; keine organisierte Neben- 
buhlerschaft, sondern ein organisierter Gemeinschaftsfriede. 
Glücklicherweise haben wir sehr bündige Versicherungen über diesen Punkt er- 
halten. Die Staatsmänner beider jetzt kriegführenden Völkergruppen haben in völlig 
unmißverständlichen Ausdrücken erklärt, daß es nicht in ihren Absichten liege, den 
Gegner zu vernichten und zu unterdrücken. Aber die stillschweigenden Folgerungen 
aus diesen Versicherungen mögen nicht für alle gleich klar und diesseits und jenseits 
des großen Wassers nicht die gleichen sein. Ich halte es für dienlich, wenn ich ausein- 
anderzusetzen versuche, wie wir sie verstehen: 
Vor allem scheint mir darin enthalten, daß ein Friede ohne Sieg geschlossen 
werden muß. Das klingt nicht angenehm. Ich bitte um Erlaubnis, meine eigene Aus- 
legung davon geben zu dürfen, und bitte festzuhalten, daß ich an keine andere gedacht 
habe. Ich suche den Wirklichkeiten ohne jede schwächliche Heimlichtuerei ins Gesicht zu 
sehen. Ein Sieg würde einen Frieden bedeuten, der dem Besiegten aufgezwungen ist, 
die Bedingungen des Siegers, die dem Unterlegenen auferlegt werden. Er würde nur 
mit dem Gefühl der Demütigung hingenommen werden, unter Härten, mit unerträg- 
lichen Opfern, und er würde einen Stachel zurücklassen, ein Rachegefühl, eine bittere
	        
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