Friedensvermittlungsvorschlag des Präsidenten Wilson 341
24.
Wasshington, den 27. 1. 1917.
Graf Bernflorff an Auswärtiges Amt. — Telegramm.
House bat mich spontan im Auftrage Wilsons, ihn zu besuchen und
sagte mir das Folgende als offiziellen Auftrag des Präsidenten:
Wilson anbietet zunächst vertraulich Friedensvermittlung auf Grund
seiner Senatsbotschaft, d. h. also ohne Einmischung in territoriale Friedens-
bedingungen. Als nicht vertraulich betrachte Wilson sein gleichzeitig an
uns gerichtetes Ersuchen um Mitteilung unserer Friedensbedingungen.
House entwickelte mir folgenden Gedankengang des Präsidenten:
Unsere Feinde hätten ihre unmöglichen Friedensbedingungen offen aus-
gesprochen. Darauf habe Präsident in direktem Gegensatz hierzu sein
Programm entwickelt. Nunmehr seien auch wir moralisch verpflichtet,
unsere Bedingungen bekanntzugeben, weil unsere Friedensabsichten sonst
als nicht ehrliche angesehen werden würden. Nachdem Eure Exzellenz
Herrn Wilson mitgeteilt hätten, daß unsere Friedensbedingungen gemäßigte
seien und daß wir auf die zweite Friedenskonferenz eingehen wollten,
glaube Präsident, daß er mit seiner Senatsbotschaft unseren Absichten ent-
sprochen hätte.
Wilson hoffe, daß wir ihm Friedensbedingungen mitteilen würden,
welche hier und in Deutschland veröffentlicht werden dürften, damit sie
unbedingt in der ganzen Welt bekannt würden, wenn wir nur in ihn
Vertrauen hätten, sei Präsident überzeugt, daß er dann die beiden Friedens-
konferenzen erreichen könne. Er wäre besonders erfreut, wenn Eure
Exzellenz gleichzeitig erklären wollten, daß wir bereit seien, auf der Basis
seiner Senatsbotschaft in die Konferenzen einzutreten. Motivieren ließe
sich unsere Erklärung dadurch, daß Wilson uns jetzt direkt um unsere
Friedensbedingungen gebeten hat. Präsident meint, die an ihn gerichtete
Ententenote braucht als Bluff nicht in Betracht gezogen werden. Er hoffe
bestimmt, Friedenskonferenzen zustande zu bringen, und zwar so schnell,
daß unnötiges Blutvergießen der Frühjahrsoffensiven verhindert werde.
Wie weit Eure Exzellenz Wilson entgegenkommen wollen und können,
läßt sich von hier aus nicht beurteilen. Indes bitte ich dringend, folgendes
vortragen zu dürfen. Wenn jetzt ohne weiteres U-Bootkrieg begonnen
wird, wird Präsident dies als Schlag ins Gesicht betrachten, und Krieg mit
den Vereinigten Staaten ist unvermeidlich. Hiesige Kriegspartei wird
Oberhand gewinnen und Beendigung des Krieges meines Erachtens un-
absehbar sein, da Machtmittel der Vereinigten Staaten trotz allem, was
man dagegen sagen kann, sehr groß sind. Andernfalls, wenn wir auf
Wilsons Vorschlag eingehen, allein Pläne trotzdem an der Hartnäckigkeit