368 XVI. Über den U-Bootkrieg, das Friedensangebot und die Stellung Wilsons
Zeit wieder vielfach erörtert, ohne daß es möglich ist, ein sicheres Urteil zu gewinnen.
Interessant dürfte die Auffassung des letzten österreichisch-ungarischen Botschafters in
Washington, Graf Adam Tarnowski, sein, der nach der Abreise der deutschen Botschaft
bis zur Kriegserklärung in Washington blieb. Daß die Kriegserklärung Amerikas
nicht eine grundsätzliche Folge des verschärften U-Bootkrieges war, wird durch die
Tatsache bewiesen, daß die Vereinigten Staaten den U-Bootkrieg zunächst nur mit
dem Abbruch der Beziehungen beantworteten und erst nach geraumer Zeit die Kriegs-
erklärung folgen ließen. Gleichzeitig mit dieser erfolgte der Bruch mit Österreich-
Ungarn.
Nach Wien zurückgekehrt, erzählte mir Graf Tarnowski, anfangs hätten die
Amerikaner über den unbeschränkten U.Bootkrieg gelacht und über die deutsche Ma-
rine gespottet, die glaube, mit solchen Methoden England besiegen zu können. Als
aber die Meldungen über die große Zahl der Versenkungen eingetroffen seien, seien
die Spötter verstummt. Die Amerikaner seien immer unruhiger geworden, und die
Überzeugung habe sich immer mehr durchgerungen, daß Amerika aktiv in den Kampf
eingreifen müsse, um England zu retten. Nicht der U-Bootkrieg als solcher, sondern
die Befürchtung, daß England durch das U-Boot den Krieg verlieren würde, habe die
Kriegserklärung der Vereinigten Staaten veranlaßt.
Dem Grafen Tarnowski, der heute die auswärtige Politik in Warschau leitet
und der sich schon damals, wie er selbst erklärte, in erster Linie als Pole fühlte, darf
man wohl ein objektives Urteil zutrauen, und man muß sich fragen, ob eine amerika-
nische Friedensvermittlung nicht unter allen Umständen einen proenglischen und anti-
deutschen Charakter gehabt haben würde und ob sie für uns zu einem annehmbaren
Resultat hätte führen können. Ich habe seinerzeit meiner vorgesetzten Behörde über
die Außerungen Tarnowskis berichtet, die merkwürdig zu den Auslassungen des ame-
rikanischen Admirals Sims stimmen. Auch der amerikanische Botschafter in Wien,
Penfteld, war schon seit Kriegsbeginn völlig antideutsch, was bei seiner Offenherzigkeit
in ganz Wien bekannt war. Gegen Österreich-Ungarn, pflegte er zu sagen, habe man
ja nichts, but Germany must be crushed (aber Deutschland muß zerschmettert
werden).“
B. Austauschprofessor Eugen Kühnemann schreibt nach der „Täglichen Rund-
schau“ — entnommen der „Schlesischen Zeitung“ Nr. 542:
„Die gängige Behauptung lautet immer noch: Amerikas Eintritt in den Krieg sel
durch Deutschlands unbeschränkten U-Bootkrieg veranlaßt. Natürlich hätte, wenn es
so wäre, Amerika zu einem solchen Vorgehen nur dann das Recht gehabt, wenn dieser
U Bootkrieg die Vereinigten Staaten mit einem Unrecht bedroht hätte, das es von
keinem der Feinde Deutschlands zu dulden gehabt hätte. Deutschland sperrte mit seinem
U,.Bootkrieg das Meer um England. Längst vorher aber hatte England genau so das
Meer um Deutschland gesperrt. Wilson erklärte die englische Blockade für ungesetzlich
und nach dem internationalen Recht unentschuldbar. Der Unterschied in den Augen
des amerikanischen Volkes sollte darin liegen, daß die englische Blockade nur amerika-
nische Güter bedrohe, die deutsche aber amerikanische Menschenleben. Der Unterschied
bestand nicht. Im Beginn der englischen Blockade sind zwei amerikanische Schiffe in
der englischen Sperrzone auf Minen gelaufen und unter Verlust von Menschenleben
gesunken. Die Tatsache wurde von der Regierung wissentlich vor dem Kongreß ver-
heimlicht. Der Unterschied zwischen der englischen und deutschen Blockade bestand also
nur darin, daß Amerika in freiwilliger Unterwerfung die englische Sperrzone an-
erkannte, dagegen willkürlich die Anerkennung der deutschen verweigerte. Der „New
Dort American"“ bemerkte vor dem Kriege: Daß durch die englische Sperre keine
amerikanischen Menschenleben verlorengehen, hat seinen Grund nur darin, daß wir
in die englische Sperrzone nicht hineinfahren. Wir würden auch durch Deutschland
keine Menschen verlieren, wenn wir aus seiner Sperrzone wegblieben. Das amerika-
nische Recht war durch England genau so eingeschränkt wie durch Deutschland. Nur
der amerikanische Vorteil litt durch England weniger, da, wie vor dem Untersuchungs-
ausschuß festgestellt, der Handel Amerikas sich völlig auf England und die Entente