Schriftwechsel zwischen Kaiser Karl und Seiner Majestät Kaiser Wilhelm 381
und Ausdauer den Widerstand unserer Feinde mit wechselnden Mitteln
immer aufs neue beleben und stählen. Ein günstiger Enderfolg ließ sich
für uns nur durch entschlossenen Angriff auf den Brennpunkt der geg-
nerischen Kräfte, d. h. England, ermöglichen.
Die durch den U-Bootkrieg bisher erzielten Erfolge und Wirkungen
gehen weit über die seinerzeitigen Berechnungen und Erwartungen hin-
aus. Die jüngsten Auslassungen leitender Männer in England über die
wachsenden Ernährungsschwierigkeiten und die steigende Unterbindung der
Zufuhren, sowie die entsprechenden Betrachtungen der Presse enthalten
gewiß einen dringenden Appell an das Volk zu äußerster Kraftentfaltung,
tragen aber zugleich das Gepräge ernster Sorge und zeugen von der Not,
in die England geraten ist.
Staatssekretär Helfferich hat in der Sitzung des Hauptausschusses des
Reichtages vom 28. v. M. eine eingehende Darlegung über die Wirkungen
des U-Bootkrieges auf England gegeben. Das Exposé ist in der Norddeut-
schen Allgemeinen Zeitung vom 1. d. M. veröffentlicht worden. Ich darf
mich dieserhalb alleruntertänigst auf die Anlage beziehen.
Nach den neuesten Nachrichten hat der Lebensmitteldiktator Lord De-
vonport sich gezwungen gesehen, aus Rücksicht auf die unzureichende Ge-
treidezufuhr eine neue Verteilung des Frachtraumes anzuregen. Der
Frachtraum ist aber schon so eingeengt, daß für Getreide ein Mehr nur
noch zur Verfügung gestellt werden kann, wenn man sich entschließen will,
an anderer Stelle die Kriegführung einschneidend zu schädigen. Abgesehen
vom Aufgeben überseeischer Expeditionen könnten Schiffe durch Be-
schneiden derjenigen Einfuhr, die viel Raum beansprucht, freigemacht
werden. England braucht indes nicht nur für Lebensmittel sehr große
Mengen von Transportraum, sondern auch für die Zufuhr von Erz, um
die Kriegsindustrie aufrechtzuerhalten, und von Grubenholz, um die
Kohlenförderung auf der notwendigen Höhe zu halten. Weder die in Eng-
land geförderten Erze, noch das im Lande verfügbare Holz machen irgend-
welche Einschränkungen im Zuteilen von Schiffsraum auf diesen beiden
Gebieten möglich. Schon jetzt, nach drei Monaten des U-Bootkrieges, steht
fest, daß die Lücken, die der U-Bootkrieg in den verfügbaren Frachtraum
reißt, die Lebenshaltung der Bevölkerung auf ein unerträgliches Maß her-
abdrücken und die Kriegsindustrie so lähmen werden, daß die Hoffnung,
Deutschland durch Uübermacht an Munition und Geschützen zu schlagen, auf-
gegeben werden muß. Der Mangel an Transportraum dürfte ferner ver-
hindern, daß eine eventuelle Mehrleistung Amerikas auf dem Gebiete der
Kriegsindustrie eine Minderleistung Englands ausgleicht. Das Tempo, in
dem der U-Bootkrieg Schiffsraum vernichtet, schließt die Möglichkeit aus,
daß Schiffsneubauten den erforderlichen Frachtraum schaffen können. Ein