Die Verhandlungen in Paris und Ablehnung infolge der Stellungnahme Italiens 383
an dem die militärische und politische Initiative noch in unseren Händen
ruht. Graf Czernin hat den Zeitpunkt hierfür in zwei bis drei Monaten
ins Auge gefaßt, an dem die feindlichen Offensiven ihr Ende gefunden
haben. In der Tat würde gegenwärtig bei den weitgespannten Erwar-
tungen der Franzosen und der Engländer auf einen entscheidenden Erfolg
ihrer Offensive und den noch nicht geschwundenen Hoffnungen der Entente
auf ein Wiedererwachen der russischen Aktivität eine zu stark unterstrichene
Friedensbereitschaft nicht nur zur Erfolglosigkeit verdammt sein, sondern
auch durch den in ihr ruhenden Schein der hoffnungslosen Erschöpfung der
Mittelmächte die Kräfte der Gegner neu beleben. Augenblicklich wäre ein
allgemeiner Friede nur durch Unterwerfung unter den Willen unserer
Feinde zu erkaufen. Ein solcher Friede aber würde vom Volke nicht er-
tragen werden und verhängnisvolle Gefahren für die Monarchie herauf-
beschwören. Ruhe, Entschlossenheit und eine auch nach außen dokumen-
tierte Zuversicht scheinen mir deshalb mehr denn je geboten. Die Ent-
wicklung der Ereignisse in Rußland hat sich bisher zu unseren Gunsten
vollzogen. Der Kampf der Parteien wird vom Gebiete politischer, wirt-
schaftlicher und sozialer Forderungen in zunehmendem Maße auf das eng-
umschriebene Feld der Kriegs= und Friedensfragen gedrängt, und es ge-
winnt immer mehr den Anschein, als ob nur diejenige Partei sich wird
dauernd an der Macht halten können, die den Weg zum Frieden mit den
Mittelmächten beschreitet. Unsere ernste Aufgabe ist es, den Entwicklungs-
und Zersetzungsprozeß in Rußland aufmerksam zu verfolgen und zu be-
günstigen und kommende russische Sondierungsversuche zwar ohne zur
Schau getragenes empressement, aber doch sachlich so zu behandeln, daß sie
zu tatsächlichen Friedensverhandlungen führen. Die Wahrscheinlichkeit
spricht dafür, daß Rußland den Schein des Verrats an seinen Verbündeten
wird vermeiden und einen Modus suchen wollen, der faktisch einen
Friedenszustand zwischen Rußland und den Mittelmächten herbeiführt,
äußerlich aber die etwaige Vereinbarung zwischen beiden Parteien als das
Präludium zum allgemeinen Frieden darstellt.
Wie wir uns im Juli 1914 in rückhaltloser Bündnistreue an die Seite
Österreich-Ungarns gestellt haben, so werden sich auch am Ende des Welt-
krieges die Grundlagen für einen Frieden finden, der beiden engver-
bündeten Monarchien die Gewähr für eine verheißungsvolle Zukunft
bringt. gez. v. Bethmann Hollweg.
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Prinz Sixtus war inzwischen am 31. März in Paris sogleich nach
seiner Rückkehr vom Präsidenten Poincaré, diesmal in Gegenwart des
Ministerpräsidenten Ribot, empfangen worden.