388 XVII. Der Sonderfriedensversuch des Hauses Parma-Bourbon
friedigt nach Paris zurück, auch Herr v. Bethmann und Graf Czernin waren hoff.-
nungsvoll gestimmt, allein die Enttäuschung blieb nicht aus. Die Entente spann den
Faden nicht weiter. Es ist anzunehmen, daß nur an einen Sonderfrieden mit Österreich,
aber nicht an einen allgemeinen Frieden gedacht worden war; dafür spricht, daß Graf
Czernin, der weitere Fühler ausstreckte, später die Mitteilung erhielt, nur zu einem
Sonderfrieden mit Österreich sei die Entente bereit, wenn Österreich sich dem Londoner
Abkommen unterwerfen wolle. Das bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als rein-
liche Kapitulation. Durch das Londoner Abkommen vom 26. April 1916 verlor Öster-
reich Tirol bis zum Brenner und das ganze Adriagebiet, es wurde von der See
abgeschnitten, es hörte auf, eine selbständige Großmacht zu sein. So sah also der
ehrenvolle Verständigungsfriede aus, den die Entente mit Wien zu schließen bereit
war. Prinz Sixtus von Parma hat, soweit es sich übersehen läßt, seine Mission
korrekt und im Sinne seiner Auftraggeber geführt, er hat sich redliche Mühe gegeben,
eine Verständigung anzubahnen. Seine Schuld war es nicht, wenn sein Name ein
Jahr später mit unliebsamen Betrachtungen verknüpft wurde.“
Wie die Widersprüche zwischen den Darstellungen des Prinzen Sixtus
und des Grafen Wedel zu klären sind, muß weiterer Geschichtschreibung
überlassen bleiben.
Auch Reichskanzler v. Bethmann gibt in seinem Buch „Betrachtungen
zum Weltkriege“, 2. Teil, Berlin 1921, eine erheblich andere Darstellung.
Graf Czernin erwiderte den Besuch des Reichskanzlers bereits am
17./18. Mai im Großen Hauptquartier in Kreuznach. Hier wurden, ohne
daß die HO. H. L. auch jetzt irgendwelche Mitteilungen über den Friedens-
schritt Osterreichs erhielt, folgende Abmachungen zwischen dem Reichskanzler
und dem Grafen Czernin im Beisein der O. H L. getroffen:
c. Die Kreuznacher Abmachungen am 17./18. Mai 1917.
1. Österreichisch-ungarischerseits wird die volle In-
tegrität der Monarchie gefordert. Dazu der Lorcen, militärische Grenz-
berichtigungen in Serbien (insbesondere die Macva), Gründung eines
kleinen Neuserbiens ohne Hafen, Wiederherstellung Montenegros und
Nordalbaniens, womöglich mit Pristina und Prizren, alle drei Staaten
militärisch, politisch und wirtschaftlich abhängig von Österreich-Ungarn.
Eine eventl. Gründung eines von Österreich-Ungarn abhängigen Neu-
serbiens mit einem Ausgang zur Adria wird als großes
Opfer Österreich-Ungarns bezeichnet. Den bulgarischen Wünschen in Ser-
bien, besonders an der unteren Morava, wird Österreich-Ungarn tunlichst
entgegenkommen.
Deutscherseits wird hervorgehoben, daß der nachfolgende
deutsche Vorschlag eine wesentliche Förderung österreichisch-ungarischer
Balkanpolitik bedeutet, daß aber auch die österreichisch-zungarische Minimal-=
lösung sehr erhebliche Vorteile politischer und wirtschaftlicher Art für ÖOster-
reich-Ungarn bringt.
*) Die Verhandlungen bezweckten, wie ich jetzt sehe, die Zustimmung der O. H. L.
zu dem Schlußsatz des Resumes S. 373/74 herbeizuführen. Der Verfasser.